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Eine unerwartete Tiefe stellt sich ein!

Ein voller Arbeitstag lag vor mir. Ich war einer Kollegin zugeteilt, mit der ich bisher noch nicht zusammen gearbeitet hatte. Wir kannten uns nur vom Sehen her. Egal, die Chemie stimmte und es war ein sehr harmonisches Miteinander. Während kurzer Arbeitspausen erzählte ich, dass ich in den nächsten Tagen abgemeldet sei, da ich eine Gruppe Jugendlicher nach Italien begleiten würde. “Und wohin geht’s” fragte meine Kollegin interessiert zurück. “Nach Sassello, in Norditalien!” war meine Antwort.
“Was ist denn da so spannend?” Ich begann zu erzählen, von Chiara Luce, die vor gut 20 Jahren innerhalb eines Jahres an einem aggressiven Tumor gestorben ist und die diesen Weg ihres Leidens und Sterbens mit einer solchen inneren Kraft bejaht und angenommen hat, dass sie in einem Frieden Leben und Sterben konnte, der seinesgleichen sucht. “Wir werden dort sein, wo sie gelebt hat und der Quelle ihres Glaubens auf die Spur zu kommen versuchen. Wir werden mit Menschen reden, die sie gekannt haben und mit denen sie gelebt hat!” Weiter erzählte ich, dass es mich so sehr bewege, sogar in dem Raum sein zu dürfen, wo Chiara Luce gelebt hat und gestorben ist und dass wir ihre Eltern besuchen würden. “Ich möchte erspüren, wie man als Eltern damit umgehen kann, das eigene  Kind so früh wieder gehen lassen zu müssen!” fügte ich hinzu.
Als ich das sagte, traf mich ein besonderer Blick aus den Augen meines Gegenübers. “Oh je” sagte ich, “ich habe Sie betroffen gemacht.” - “Ja, ich habe genau das erleben müssen. Vor 25 Jahren ist meine Tochter mit damals 10 Jahren an einem Hirn-Tumor verstorben.” Jetzt war ich betroffen! “Das tut mir so leid, ich wollte Ihnen nicht weh tun.” - “Das muss Ihnen nicht leid tun”, entgegnete meine Mitarbeiterin, “ich freue mich, wenn wir so offen reden können. Stellen Sie sich vor, im Mai hätte das Grab eingeebnet werden sollen. Das habe ich nicht ausgehalten. Aber es ging nicht, das Grab für weitere Jahre zu verlängern. Ich habe so unter der Vorstellung gelitten. Dann haben wir, mein Mann und ich, eine neue Grabstelle gekauft und meine Tochter umbetten lassen. Das war eine ganz schlimme Zeit! Aber jetzt habe auch ich wieder meinen Frieden. Und mein Mann, er ist mein zweiter Ehemann und nicht der Vater meiner Tochter, hat alle meine Sorgen um die finanzielle Belastung, die diese Situation hervorgerufen hat, völlig leicht genommen. Er hätte sogar einen Kredit aufgenommen um mir zu helfen!”
Ich war völlig gerührt von dieser Erzählung! “Tun Sie mir einen Gefallen?” wurde ich gefragt. “Aber klar!” war meine Antwort. “Erzählen Sie mir, was Sie in Italien erlebt haben und was es bedeutet?” - “Oh, liebend gerne! Ich freue mich darauf!”versprach ich meiner Kollegin. Dann haben wir uns umarmt, uns für diese völlig unerwartete Gespräch bedankt und uns ganz glücklich voneinander verabschiedet!