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Ich gönn's Dir von Herzen!

In den Sommerferien hatte ich drei Wochen Urlaub und eine Kollegin hatte einen Patienten von mir übernommen. Er ist sehr verwahrlost. Als ich das erste Mal da war, war schon vor lauter Katzenhaaren die ursprüngliche Teppichfarbe nicht mehr zu erkennen. Es hatte mich damals viel Schweiß und Überwindung gekostet, dort zu arbeiten. In meiner Abwesenheit hatte sich meine Vertretung nicht um die Sauberkeit der Wohnung gekümmert. Ich war sehr verärgert, konnte ich doch wieder von vorne anfangen. Ich hab versucht, mit aller Entschiedenheit aus all dem einen echten Akt der Liebe zu machen und nicht zu urteilen. - Kurze Zeit später ging meine Kollegin in Urlaub und es fand sich niemand, der einen von ihren schwer zu nehmenden Patienten für diese Zeit versorgen wollte. Ich dachte bei mir: “Das ist eine Chance, meine Liebe noch zu vervielfachen!” Obwohl auch ich mich mit dem Menschen schwer tat, hab ich den Schritt machen können.
Als ich in diese Wohnung kam, schlug mir so ein Gestank entgegen, dass ich schnellstens das Fenster aufreißen mußte, um mich nicht zu übergeben. - Für mich hieß es jetzt, beim Glauben und bei der Liebe zu bleiben, indem ich diesem Menschen in all seiner Not und Hilflosigkeit wertschätzend und liebend zu begegnen versuchte. Und das sollte mir weiterhin helfen, den Ärger über meine Kollegin zu überwinden. Für mich galt: “Leg in der Konkretheit der Liebe noch eins drauf!”- So habe ich (für sie) auch noch die Fenster geputzt und andere Reinigungsarbeiten übernommen, die nicht zu meinem Arbeitsfeld als Vertretung gehörten. Sie sollte sich freuen, wenn ich aus dem Urlaub zurück käme!
Dann kam die letzte Dienstbesprechung. Ich wollte in den Herbstferien Urlaub nehmen. Das Gespräch kam auf den Mann mit der Katz, es wurde nicht gerade liebevoll über ihn gesprochen. Vorsichtig erwiderte ich: “ Bei deinem Herrn ist es auch nicht gerade angenehm, aber ich habe es gern für dich getan!” Sie schaute mich an und schwieg.
Dann kam die Urlaubs- und Vertretungsplanung. Mein Urlaub stand plötzlich auf der Kippe, da sich niemand zur Pflege des besagten Herrn meldete. Doch dann meldete sich eben diese Kollegin und übernahm gleich drei Patienten - auch den etwas schwierigen Herrn. Ich war total erfreut. Nach der Dienstbesprechung sagte sie mir: “Weißt Du, ich hab mich echt gefreut über die Dinge, die Du für mich getan hast. Ich war ganz platt, sogar die Fenster hast Du geputzt! Und jetzt gönn ich Dir Deinen Urlaub von Herzen!”