Sechs Teenies auf dem Weg nach Sarajevo
Oh, ich find das so toll, dass in Sarajevo auf allerengstem Raum vier verschiedenen religiösen Gruppen ihre Gotteshäuser haben. Und wir haben sie alle besucht!“ Tomi, selber aus dem Irak stammend, ließ uns das am Ende der Balkantour wissen, die uns von Oster-Montag, dem 21. – Freitag, dem 25.04.2025 nach Graz und Sarajevo geführt hatte. Sechs Teenies hatten sich angemeldet.
Vier Stunden nach der Abfahrt erreicht uns – vor einer Raststätte stehend – die Nachricht, dass Papst Franziskus verstorben ist. Am Vortag hatte er noch den Segen „urbi et orbi“ gespendet. „Oh, ich bin richtig traurig. Franziskus war und bleibt der für mich bisher einzige Papst. Ich bin mit ihm groß geworden. Jetzt ist er tot!“ lässt uns einer der Jugendlichen wissen, merklich bewegt durch diese Nachricht. Abends treffen wir uns in Graz mit Mariaklelia, einer jungen Studentin aus Albanien. Im Stadtpark auf einer Wiese sitzend, erzählt sie sehr persönlich von all ihren Hoffnungen und Schwierigkeiten. Gebannt hören alle zu.
Anna, eine junge Mutter, die sich mit auf den Weg gemacht hatte, schrieb nach der Fahrt: „Die Stärke von Mariaklelia hat mich beeindruckt. Diese Mischung bei ihr aus Selbstbewusstsein und Demut, ein klares Ziel vor Augen und der aufrechten Haltung dieses mit allen Mitteln erreichen zu wollen, um dann bestmöglich vorbereitet zu sein für den weiteren Lebensweg. Sie hat sich eine innere Stärke angeeignet, die vielen Jugendlichen in Deutschland fremd ist, da eine ganz andere Selbstverständlichkeit für den Besuch von Schule, Studium und die beruflichen Perspektiven vorhanden ist.“
Am Dienstag geht die Fahrt durch Slowenien und Kroatien weiter nach Bosnien. In Slavonski Brod überqueren wir die Grenze nach BiH und fahren durch ganze Landstriche, in denen noch weitflächige Ruinenlandschaften von dem Krieg sprechen, der mittlerweile 30 Jahre zurück liegt. „Als ob die Zeit stehen geblieben ist,“ so lese ich in einer Rückmeldung, „wurden in einigen Regionen die zerstörten Häuser nicht abgetragen, sondern sie zerfallen erst mit der Zeit: Für uns ein Zeugnis vergangener Zeiten, für die Menschen, die direkt neben den zerstörten Gebäuden ihre neuen Wohnhäuser errichtet haben, ein Leben in präsenten Erinnerungen, ohne wirklichen Neuanfang.“ All diese Eindrucke versuchen Balthasar und Julian mit ihren Drohnen mit viel Engagement einzufangen.
Während der zwei Tage in Sarajevo fühlen sich die Jugendlichen im Jugendzentrum Ivan Pavao II. sehr gut aufgenommen! Wie gut, dass es dort für die freien Zeiten so viele Sportmöglichkeiten gibt. Jannis und Max, zwei Jungen aus Deutschland, die gerade ein FSJ absolvieren, helfen nach Kräften, dass alle auf ihre Kosten kommen. Während wir am Mittwoch eine Moschee, eine Synagoge, die Georgs-Kathedrale der serbisch-orthodoxen und die Kathedrale der römisch-katholischen Gemeinde in Sarajevo besuchen und nachmittags Dragana zuhören, die als erste FSJlerin nach Deutschland gekommen war und jetzt an ihrer Glaubenssuche teilhaben lässt, fahren wir am Vormittag des folgenden Tages mit der Seilbahn auf den Trebevič und erleben die wunderbare Berglandschaft, in der 1984 die Olympischen Winterspiele stattgefunden haben. Die alte zerstörte Bob-Bahn zu besuchen ist natürlich ein Muss! Danach geht‘s im Herzen von Sarajevo zum „War Childhood Museum“, in dem anhand greifbarer Gegenstände dokumentiert ist, was der Krieg für Kinder in den 90ger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bedeutet und wie sehr er ihre Geschichten geprägt hat. Danach gibt es noch einen Einblick in die bunten und vielfältigen Aktivitäten des Jugendzentrums.
Bei der abendlichen kurzen Reflexion der Tage, die wir mit einer Messe in der Kapelle des Jugendzentrums beschließen, kamen als Kurzrückmeldungen: „Uns sind die vielen persönlichen Geschichten aus der Kriegszeit im Kopf hängen geblieben.“ – „Einen Nachmittag kam Dragana, die uns ihre Geschichte während des Krieges und ihren Weg zum Glauben erzählt hat. Die Geschichte hat uns sehr berührt.“ – „ Die Atmosphäre im Jugendzentrum war cool, vor allem
auch die vielen Sportmöglichkeiten!“ – „Toll, in so einem Haus ein FSJ machen zu können!“ – „Insbesondere die Nahbarkeit und der freundliche Empfang des Imams haben mich beeindruckt.“ – „Auch in unserer kleinen Gruppe lief’s echt cool. War super!“
Und dann galt es nach wenigen Stunden Schlaf um Mitternacht schon wieder aufzubrechen. Der Bulli war schnell gepackt und dann lagen 1560 Kilometer vor uns. Dass der Himmel weinte, da
wir uns nach drei Tagen wieder auf den Weg machen mussten, schien allen einleuchtend zu sein. Ob die sechs Teenies wirklich vor der Abfahrt noch im Bett geruht haben, oder ob sie doch noch bis zum letzten Augenblick im Gym waren, mag der / die Lesende selbst für sich beantworten. 😊
Meinolf Wacker