Ich bin glücklich!
Lange hatten wir uns nicht gehört. Um so mehr freute mich der Anruf. Viel gab es zu berichten - aus den vergangenen Monaten. Und dann kam das Gespräch auf einige Besinnungstage. Sie hatten sehr in die Tiefe geführt. Am Abend eines der Tage - so durfte ich am Telefon hören - hatte es noch ein norwegisches Märchen gegeben. Es handelte von einem Drachen, der seine Bräute in der Brautnacht immer neu verschlang. Die neue Braut hatte Rat bei einer alten Frau gesucht, die ihr gesagt hatte, sie solle sieben Kleider übereinander anlegen und den Bräutigam in der Hochzeitsnacht darauf verpflichten, dass immer, wenn sie ein Kleid ablege, auch er eine Haut ablegen müsse. So geschah es. Nach einem wunderbaren Hochzeitsfest verschwanden die beiden im Brautgemach. Am Ende zeigte sich der Drache, der schmerzvoll Haut um Haut abgelegt hatte, als ein wunderschöner Prinz. “Und was steckt in meiner Drachenhaut?” hörte ich mein lachendes Gegenüber am Telefon. Und dann wurde mir das Kostbarste ihrer Seele anvertraut. Über viele Jahre von Menschen nicht angeschaut worden zu sein, bedeutete größten Schmerz. Und in den Besinnungstagen war dieser innerste Schmerz plötzlich wieder lebendig. Doch in einer Gebetszeit wuchs aus größtem Schmerz plötzlich aus dem Innersten der Seele die Gewissheit, dass mein Sein zutiefst Ausdruck der Liebe Gottes zu mir ist, dass vor allem Nein der anderen SEIN "Ja!" stand. Im Innersten, im Innigsten der Seele strömte lebendige Liebe. Die Erfahrung weitete sich und offenbarte: Alles, was ist, ist Ausdruck der Liebe. - Tief gerührt und beschenkt stand ich mit meinem Handi im Zimmer. Und wieder neu spürte ich: ER ist da, in der Mitte der Seinen, die bereit sind, einander ALLES zu schenken - allen Schmerz und alle Freude!"
Über Jahre hatten wir einen Besuch in der Verwandtschaft nicht mehr machen können. Krankheiten in mehreren Familien hatten ein Zusammen-Sein verunmöglicht. Nun waren die Karten neu gemischt. Ich hatte meiner Mutter versprochen, eine Tante zu besuchen, die ungefähr eine Stunde von uns entfernt wohnte. Die Freude meiner Tante war schon am Telefon zu spüren gewesen. Sie konnte die Stunden, bis wir uns sehen würden, kaum abwarten. Unglücklicherweise verletzte ich mich am Vortag am Auge. Es tränte unaufhörlich. Am nächsten Tag, dem Besuchstag, entschied ich, zunächst zum Arzt zu gehen. Wegen der Ferienzeit mußte ich viele Kilometer fahren. Als ich wieder zu Hause war, schmerzte das Auge sehr und ich wußte nun, dass das auch ein paar Tage noch so bleiben würde. Ich spürte, wie der Besuch bei meiner Tante plötzlich auf wackeligen Beinen stand. Während der Mittagspause betete ich zu Gott und spürte, dass jetzt einfach Mut und die größere Liebe angefragt waren. Ich entschied, zu fahren. Als wir meine Verwandte erreichten, sprühte sie - wie auch meine Mutter - voller Freude, sich nach so langer Zeit wieder zu sehen. Immer wieder ließ meine Tante uns ihre Freude spüren. Waffeln mit heißen Preiselbeeren und Sahne waren hergerichtet... Wir blieben lange, sehr lange. In meinem Herzen tauchte immer wieder ein Wort Marias an die Jünger bei der Hochzeit zu Kanaan auf: “Was ER (Jesus) euch sagt, das tut!” ER hatte gesagt zu fahren. Jetzt durfte ich Zeuge einer tiefen Freude und eines ehrlichen Austausches innerhalb meiner Familie werden.
Ein Impuls rührt mein Herz an. Schreib noch eine kurze sms und frag, ob morgen mittag noch ein Gespräch möglich ist, denn in wenigen Tagen liegen schon wieder viele Kilometer zwischen uns. “Ich hatte auch gerade den Impuls, Dir eine mail zu schreiben!” lese ich als Antwort, “ja, wir müssen uns morgen noch sehen.” Am nächsten Tag verabreden wir uns auf eine Pizza. “Gestern habe ich eine unglaubliche Erfahrung gemacht. Gott hat geantwortet, auch wenn die Situation, in der ich jetzt stecke, schwierig ist!” höre ich mein Gegenüber sagen. “Seit Monaten schon spüre ich, dass meine Freundschaft zu einem Mädchen zur Routine geworden ist. Wir smsen uns täglich, aber irgendwie ist alles total leer und ich spüre, dass Gott einen anderen Weg für mich im Sinn hat. Gestern hab ich in einer Begegnung mit einer Gruppe junger Menschen verstanden, dass ich JA sagen soll zu dem Kreuz der Trennung und zu dem Kreuz, von meiner Freundin und auch von meinen Eltern nicht verstanden zu werden. Aber ich spüre, dass ich Gott mehr trauen muss und dass ER, auch wenn es schwer ist, etwas Großes für mich bereit hält!” Erstaunt höre ich zu und schaue dann in die verweinten Augen eines jungen Menschen, der total ernst macht mit dem, was ich wenige Tage zuvor noch beim Weltjugendtag in Brasilien von Papst Franziskus gehört hatte. Er hatte die Jugendlichen eingeladen, in die persönliche Begegnung mit Jesus zu gehen und dort das Licht für die eigenen Wege zu finden. Und bei all dem klang in mir eines seiner Worte nach:“Um es klar zu sagen: Der Heilige Geist ist für uns eine Belästigung. Er bewegt uns, er lässt uns unterwegs sein, er drängt die Kirche weiterzugehen. Aber... wir wollen, dass er sich beruhigt, wir wollen ihn zähmen. Doch das geht nicht. Denn er ist Gott und ist wie der Wind, der weht, wo er will. Er ist die Kraft Gottes, der uns Trost gibt und auch die Kraft, vorwärtszugehen.” Hier sitze ich einem jungen Menschen gegenüber, der den Heiligen Geist nicht zähmen will, sondern sich ihm ganz überläßt. Was für ein Geschenk!
Mein Tag war gut gefüllt. Ein Freund hatte uns für längere Zeit bei der Arbeit geholfen. Nun galt es für ihn, wieder nach Hause zu fliegen. Natürlich, er konnte den Zug nehmen. Ich spürte in mir den Impuls: “Bring ihn zum Flughafen!” Schon zeitig fuhren wir los, um nicht durch Staus in Bedrängnis zu kommen. Ein tiefer Austausch unter uns entwickelte sich. Nach dem Einchecken am Flughafen lud ich ihn noch auf einen Kaffee ein. Wir saßen zwischen vielen Reisenden an einem kleinen Tisch. Das Monatsmotto fiel mir ein. In diesen Augenblicken spürte ich eine unaussprechliche Freude zwischen uns. Er strahlte mich an und sagte: “Danke für Deine Zeit, dass Du mich noch hierher gebracht hast. Nein, nicht nur das: Danke für Dich!” - Wenige Stunden später rief er an. Er war schon in seiner Heimat gelandet. An seiner Stimme spürte ich: Die Freude war geblieben.