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Ich bin glücklich!

Meine Tochter bekam mitten in der Nacht kräftige Bauchschmerzen. Gemeinsam mit meinem Mann brachte ich sie sofort ins Krankenhaus. Sie hatte schreckliche Schmerzen. Sie kniete auf dem Boden und  krümmte sich. An der Krankenhauspforte angekommen, bat ich um schnelle Hilfe. Die dringende Notwendigkeit war sofort ersichtlich. “Haben Sie die Versicherungskarte?” kam als einzige Reaktion. Ich gab die Versicherungskarte der Fragenden weiter. Sie schob die Karte in ein Lesegerät und schaute dann auf den Desktop.  Unsere Tochter hörte wie die Frauen - sie waren zu zweit -  sich in diesem Augenblick fragten: “Was läuft denn heute im Fernsehen?” "Mama”, sagte unser Kind, "können die sich denn jetzt nicht um mich kümmern, meine Schmerzen sind doch wichtiger!”  Mein Herz weinte, meine Tochter tat mir leid , aber die beiden Frauen im Pfortenbüro noch mehr. In diesem Augenblick fühlte ich mich richtig schwach und voller Zweifel. “Wie konnten diese beiden Frauen ein Kind so kalt behandeln? Warum haben sie keine Liebe gezeigt und kein tröstendes Wort gesagt?” - Später, als ich mit unserer Tochter wieder zu Hause war, merkte ich, wie sehr dieses Verhalten meine Tochter verletzt hatte. “Mama, wie die mich behandelt haben... das war alles andere als in Ordnung!” In diesem Augenblick kam mir ein Wort Jesu in den Sinn und ich sagte zu unserem Kind: “Du hast Recht, aber verzeihen wir den beiden, auch wenn das jetzt schwer ist, denn die beiden wissen nicht, was sie da getan haben! Beten wir für sie!” In diesem Augenblick umarmte mich meine Tochter und wir beteten gemeinsam um die immer neue Kraft, mit Gottes Augen auf alles schauen zu können, was geschieht.

Die letzten Tage hatte ich immer und immer wieder an sie gedacht. Sie war von einer schweren Krebs-Erkrankung gezeichnet und hatte jeden Augenblick ihres Leidens für andere Menschen verschenkt. Heute noch würde sie nach Indien in ihre Heimat fliegen, um ihre Familie zu besuchen. Mich drängte es, sie noch kurz zu erreichen. Kurz vor ihrem Abflug gelang der Anruf. “Weißt Du” - höre ich sie sagen - “durch diese Krankheit bin ich Gott noch viel, viel näher gekommen. Ich kann es kaum sagen: Aber ich fühle mich so sehr geliebt. Er hat das Schwerste, was er für uns ausgehalten hat, mit mir geteilt. Er hat es mir anvertraut und nun darf ich es mit ihm leben! Eine solche Liebe habe ich vorher in meinem Leben noch nie gespürt. Ich bin so dankbar!” Mit innerster Ergriffenheit höre ich einem Menschen zu, der in seiner Seele zu tiefst gläubig alles aus Gottes Hand angenommen hat und sich wie ein kleines Kind in Seiner Hand geborgen fühlt. Als ich auflege, durchströmt eine tiefe Dankbarkeit meine Seele. Wie gut, dass ich noch angerufen habe! Eine Krankheit - durch diese Brille angeschaut und verstanden - habe ich lange nicht mehr so erleben dürfen!

Früh morgens war ich einer älteren Ordensschwester begegnet. Lange hatten wir uns nicht gesehen, so gab es eine Menge zu erzählen. Ich spürte die Freude dieser Frau über die uns unvermutet geschenkte Zeit - mitten im Galopp des Tages. Dann verabschiedeten wir uns.  Beim abendlichen Tagesrückblick fiel mir dieser Augenblick als erstes wieder ein und ich entschloss mich - durch die “Brille der Liebe” schauend, ihr noch einen Briefgruss zu senden. Am nächsten Nachmittag schon klingelte mein Telefon. “Na, nun raten Sie mal, wer hier dran ist?!” hörte ich eine erfreut erstaunte Stimme. Es war genau diese Schwester. Der Gruß hatte ihr so eine Freude bereitet, die ich so nicht erwartet hätte. Lange noch erzählten wir am Telefon. Als wir auflegten spürte ich die gleiche Freude in meinem Herzen, die die Schwester mit mir geteilt und mir bereitet hatte - und das an einem Tag, an dem vieles nicht so leicht gelaufen war.

Lange hatten wir sie vorbereitet, eine Menschenkette rund um unsere Stadt als Zeichen für ein friedliches Miteinander. Zum Teil war es schleppend gelaufen. Viele Menschen hatten sich nicht bewegen lassen und blieben zu Hause. Nach dem Augenblick des Schweigens und des Betens mit über 1000 Menschen in der Kette hatten wir noch zu einem kleinen Umtrunk eingeladen. Es  waren auch viele Asylanten und Flüchtlinge aus unserer Stadt gekommen, um die Augenblicke noch zu teilen. Am Ende dieser Begegnung kam eine junge Frau aus dem Iran mit ihrem Sohn zu mir, um sich zu verabschieden. Sie hat es nicht leicht hier im Land und fühlt sich oft sehr allein. Sie spricht bisher nur gebrochen deutsch. Mit Tränen in den Augen stand sie vor mir und machte mir klar: Nach weit über zwei ein halb Jahren hier in Deutschland war das Geschehen dieses Tages der erste Augenblick, wo sie sich richtig dazu gehörig gefühlt hatte!