Ich bin glücklich!
Wir hatten eine schwere Operation zu stemmen. Nach getaner Arbeit kam meine Mitarbeiterin um mir zu sagen, wie gut ihr das Miteinander in unserem Arbeitsfeld tut. Wir kommen menschlich gut miteinander aus und haben schon mehrere beruflich sehr herausfordernde Situationen miteinander gemeistert! Da diese Frau ihren Zug verpasst hatte, hab ich sie spät abends noch nach Hause gefahren. So blieb uns Zeit zu sprechen. Diese Zeit zum Gespräch ist wichtig, um schwere Situationen auch fachlich nochmals “durchzuarbeiten”. Nachdem wir das getan hatten, sagte sie zu mir: “Mit Ihnen ist das Arbeiten so ganz anders. Sie kennen die Patienten so gut und Sie sind so ganz persönlich!” Da wurde ich hellhörig. Ich fragte, wie sie das meine? “Nun ja, es ist so eine besonderer Atmosphäre so freundschaftlich, fast familiär! Meine Rolle als Mitarbeiterin ist mit Ihnen immer ganz anders, sie gefällt mir sehr. Ich habe den Eindruck, ich gehöre immer mit dazu!” - Wie gut tat mir diese Rückmeldung nach einem anstrengenden Arbeitstag - eben: “ganz persönlich!”
Vor ein paar Tagen erreichte mich ein Anruf. Nach kürzester Zeit war klar, es geht wieder um die Probleme, die wir schon oft besprochen haben. Zunächst war ich genervt! “Nicht schon wieder!” kam mir in den Sinn. “Und mein Gegenüber hat nach all den Gesprächen noch keine Schritte gemacht, um etwas zu ändern!” dachte ich weiter... Aber der Wunsch zu lieben wurde immer stärker in mir. So hab ich tief Luft geholt und versucht, ganz da zu sein. Ich hab versucht, wirklich zuzuhören, ohne Bemerkungen und kluge Ratschläge dazwischen fließen zu lassen. Es wurde ein langes, relativ schweres Gespräch. Schritte von der Seite meines Gegenübers waren dringend angesagt, aber er mußte sie selber entdecken und tun.
So hab ich mich weiter sehr zurück gehalten. Die wenigen Worte, die ich beisteuerte, versuchte ich mit ruhiger und klarer Stimme zu sagen. - Gegen Ende des Gespräches wurde mein Gegenüber ruhiger. Als wir geendet hatten, hab ich für den Anrufer gebetet, zumal mich das, was er erzählt hatte, sehr betroffen gemacht hat! - Wieder einmal neu!
Eine viertel Stunde später kam eine SMS. Mein Gesprächspartner hatte sich wirklich fachliche Hilfe geholt und schon eine feste Zusage für baldige Hilfe bekommen. Damit scheint Bewegung in eine schwierige Situation zu kommen. Gut, dass ich dran geblieben war - ganz persönlich!
Ich kam an einem Handarbeitsgeschäft vorbei, in dem ich häufiger einkaufe. Die Besitzer dieses Ladens wissen um unser Engagement für Asylbewerber und Flüchtlinge in unserer Stadt und legen mir immer wieder Wollreste zurück.. Ich ging kurz rein, nur um “Hallo” zu sagen. Sofort begrüßte mich die Inhaberin ganz freudig :”Ich habe so oft an Sie gedacht. Auch Wollreste habe ich für Sie. Und da vorne steht eine Frau, die ganz viele Reste abgeben möchte, wollen Sie sie kennen lernen?” - “Aber gerne!” Ich wartete, bis die Dame, die die Woll- und Stoffreste hatte, ihr Gespräch beendet hatte und bin dann zu ihr gegangen. Ich habe mich vorgestellt und erzählt, was wir machen und auf welchem Hintergrund wir arbeiten. “Ja, ich kenne Sie aus der Zeitung, habe schon davon gehört. Ich habe auch reichlich Wolle, kann das aber nicht hier her bringen. Würden Sie die Sachen auch abholen?” - “Selbstverständlich, gerne! Sagen Sie, wann es Ihnen passt und ich komme gerne.” Wir haben uns sofort für heute Nachmittag verabredet....
Dann sprach mich eine Frau an, die ich zunächst gar nicht wahrgenommen hatte. “Entschuldigung, wenn ich Sie so einfach anspreche, aber ich habe Ihrem Gespräch gelauscht und... ja was soll ich sagen, ich bin begeistert. Darf ich mich bei Ihnen melden? Ich möchte auch etwas geben?” “Liebend gerne!”
Für den Nachmittag hatte ich mich entschieden, in der KHG “Beethovens Neunte” zu üben. Doch dazu kam es zunächst nicht. Spontan geriet ich in ein Jogawochenende. Die Gruppe machte grad Pause und lud mich zum Essen ein. Total herzlich! Die Einladung schlug ich natürlich nicht aus. Auch der Bitte, doch ein wenig Klavier zu spielen, kam ich nach. Es klappte aus meiner Sicht nur mittelmäßig, aber meine Zuhörer waren begeistert. Und dann die nächste Überraschung. “Komm; nimm dir eine Matte und mach mit!“ Es war so eine offene herzliche Atmosphäre. Ich dachte nur: „Hier und Jetzt!“– immer Überraschungen, immer wieder neu, aber ich war total im Hier und Jetzt. Aber dann die vielleicht größte Herausforderung. Ich begegnete nach dem Jogaworkshop meiner Freundin und Chorleiterin, mit der mich schwierige Erfahrungen verbanden. Die Begegnung war trotz der Kürze total herzlich und offen. Wir hatten uns vor längerer Zeit ausgesprochen und das Problem beiseite geräumt. Ich überlegte sogar, ob ich im Chor, aus dem ich heraus gegangen war, wieder mitsingen wollte. Doch während ich darüber nachdachte, stand schon eine weitere Bekannte vor mir. Vor ein paar Monaten hatte mich eine mail von ihr total verletzt, das schmerzte jetzt immer noch so sehr… einer Konfrontation und offenen Begegnung wichen wir beide aus. Vielleicht nicht die geschickteste Lösung.
Aber dadurch hatte ich doch noch Zeit, “Beethovens Neunte” zu üben - mit der bekannten Melodie von „Freude schöner Götterfunken“. Die Zeit verflog so schnell. Im Hochschulgottesdienst im Kerzenschein wählte der neue Hochschulpfarrer Worte, die mich kurzzeitig in intensive Momente nach Afrika zurückversetzten, wo ich ein Freiwilliges Soziales Jahr verbracht hatte. Gerade beim “Vater unser” trafen mich die Worte „wie die Kinder“ direkt ins Herz, es war als sängen wir es mit meinen Freunden, den Kindern, aus dem afrikanischen Kinderdorf. Ganz persönlich, voller Vertrauen mit einem riesigen Zusammengehörigkeitsgefühl! Es rührte mich so sehr, dass mir Tränen in die Augen schossen.
Für mich war der Liedtext – der mich in der Anfangszeit im Studium so tief berührt hatte- wieder zum Greifen nah: „In der Mitte der Nacht steht der Anfang eines neuen Tags und in ihrer dunklen Erde blüht die Hoffnung. Ich will Licht sehn, in der Dunkelheit die richtigen Worte finden die die Liebe weckt. Lass uns Licht sehn!“