Ich bin glücklich!
Es war noch ein wenig Zeit, bis ihr Flieger wieder ging. Wir gingen auf einen kleinen Hügel in der Nähe des Flughafens, um die Weite und Schönheit der Landschaft zu bestaunen. Sie war noch nie in unserem Land gewesen und war dankbar für alle Eindrücke, die sie sammeln konnte. Auf dem Rückweg zum Auto lagen eine alte Bierflasche und eine Plastik-Flasche im Gebüsch. Sie ging hin, hob sie auf und nahm sie – mit einem gewinnenden Lächeln in ihrem Gesicht - mit. Am Parkplatz stand ein Mülleimer, in den sie die beiden Flaschen versenkte. „Schade, das hier klein Glas-Container steht!“ hörte ich sie sagen. Was für eine zärtliche Geste für unsere Mutter Erde, dachte ich bei mir. Als ich vom Flughafen zurückkam, lagen eine Eisverpackung und eine leere Zigarettenschachtel auf der Straße vor meiner Haustür. Ich hob sie auf und warf sie in den Mülleimer. Seither tue ich das täglich und weiß mich verbunden mit der Erde und mit dieser jungen Botschafterin.
Seit Jahren veranstaltet ein Jugendverband unserer Pfarrei ein Ferienlager für Kinder. Sie hatten mich eingeladen, vorbeizuschauen. Gern fuhr ich als Pastor zu den Kindern und Jugendlichen. Nach ein paar Tagen hatte ich mich zum Säuberungsdienst für die Toiletten-Anlagen gemeldet. Als ich begann, sah ich, wie der Abfluss bei zwei Duschkabinen nicht mehr funktionierte, weil die Abflüsse total voller Haare waren. Natürlich spürte ich in mir eine leichte Abneigung gegen diese Arbeit. Doch dann dachte ich: Nimm diese Arbeit als Sprungbrett, Deine echte Liebe zu zeigen. Sofort machte ich mich an die Arbeit und säuberte alle Abflüsse der Anlage. Das blieb nicht unbemerkt und manches Kind kam freudestrahlend vorbei, weil das Duschen jetzt wieder viel mehr Spaß machte.
Immer wieder war mir der kleine Junge in unserem Ferienlager aufgefallen. Er spielte oft für sich allein und fand irgendwie keinen richtigen Anschluss zu den anderen Kindern. Mehrfach hatte ich ihn ermutigt, aber es blieb schwer für ihn. Eines Nachmittags, als ihn wieder allein spielen sah fragte ich ihn, ob er Lust habe, mit mir Federball zu spielen. „Na klar!“ war seine freudige Antwort. Wir begannen und ich staunte nicht schlecht, als wir es zu 40 Ball-Berührungen brachten, ohne dass der Federball zu Boden fiel. Ich sah, wie froh und stolz mein kleiner Spielkamerad war. Kurze Zeit nach unserem Federball-Match sah ich, wie der kleine begonnen hatte, mit anderen „Verstecken“ und „Fangen“ zu spielen. Er hatte begonnen, sich zu wagen.
In einer Nachricht las ich: „Können wir morgen gemeinsam einen Spaziergang machen?“ Es war eine Bekannte von mir. Ich kannte sie seit den Gymnasium-Jahren in meiner Stadt, in der ich groß geworden bin. Obwohl wir heute beide in der gleichen Stadt eines anderen Landes leben, sehen wir uns sehr selten. Uns verbinden nicht so viele Gemeinsamkeiten, weil meine Bekannte in einem anderen Umfeld groß geworden ist als ich. Außerdem gehört sie einer anderen Religion an. Wir trafen uns. Anfangs erzählten wir, wie es uns generell ging. Dann stellte sie immer mehr Fragen in Bezug auf meine Religion. Ich war ein wenig erstaunt, aber ich antwortete ganz offen und fröhlich auf all ihre Fragen. Dann sagte sie auf einmal: „Weißt Du, in unserem Glauben gibt es sehr strikte Regeln, denen man folgen muss, oder man gehört nicht mehr zu dieser Religion. Es gibt Regeln für unser Tun, für das Essen und für die Kleidung. Habt Ihr in Eurem Glauben auch Regeln? Was macht Dich zur Christin? Und wenn es Regeln gibt, die in unseren Religionen unterschiedlich sind, welche sind richtig? Welchem Weg gilt es dann zu folgen? Meine Religion stimmt in vielem mit Deiner nicht überein. Bei wem liegt die Wahrheit? Wer ist der ‚wahre‘ Gott?“ Es kamen Fragen über Fragen!
Ich sagte zu ihr: Weißt Du, meines Erachtens gibt es eine absolute Wahrheit nicht. Ich kann nur von mir und meinen Erfahrungen mit Gott erzählen. Und aus meinen persönlichen Erfahrungen heraus weiß ich, dass Gott ‚Liebe‘ und nichts anderes ist. Alles, was nicht Liebe, sondern Hass, Wut, Neid hervorbringt, ist nicht Gott. Und diese Liebe ist nicht nur die Liebe zwischen zwei Menschen, sondern auch die Liebe in der Familie, im Freundeskreis bis zu all den Menschen, die im Lauf eines Tages meine Nächsten sind. Mein Nächster ist immer neu der, der meine Hilfe braucht und wenn ich gerad helfen kann, dann ist diese Geste des Helfens ein Akt der Liebe zu diesem Menschen, den ich vielleicht gar nicht kenne.
Weiter sagte ich zu ihr: Wenn wir uns ständig mit anderen vergleich, werden wir nie glücklich sein. Warum drängt es uns dazu, unser Gegenüber schlecht zu machen, nur damit „wir“ / „ich“ ein wenig besser dastehe? So zerstören wir uns selbst und leben fern von Gott.
Ich habe ihr dann noch ein paar kleine Erfahrungen aus meinem konkreten Leben erzählt und am Ende war sie total froh! Sie hatte so ein Strahlen in ihren Augen, wie ich es nie bei ihr gesehen habe. Sie war im Frieden. Und ich spürte, da war noch etwas Größeres, vielleicht jemand Größeres zwischen uns. Als wir uns verabschiedeten sagte sie: „Danke für Deine Zeit und Deine Geduld mit mir. Du bist echt gut!“