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Ich bin glücklich!

Im Brief einer jungen Frau, die uns mit ihrer Musik-Gruppe aus Siebenbürgen besucht hatte, lese ich: “Das internationale Rosenkranzgebet war sehr, sehr schön. Viele von uns können kein Deutsch und weil wir immer die verschiedenen Teile des Rosenkranzes in unseren verschiedenen Sprachen gebetet haben, konnten wir alle zusammen beten und uns verstehen!” - Wenige Tage später bin ich mit zwei bosnischen Freunden unterwegs. Auf langen Autofahrten kommt uns die Idee, Rosenkranz zu beten. Wie so oft sammeln wir all die Anliegen, die uns bewegen und die uns Menschen zugetragen haben. Dann beginnen wir. Und wieder neu in unseren verschiedenen Sprachen, in kroatischer und in deutscher Sprache. Wieder finden wir - jenseits der Unterschiedlichkeit unserer Sprachen - in eine tiefe Sinfonie mit Gott und untereinander. - Zwei Tage später besuche ich meine Mutter, die seit dem Tod  ihres Mannes / meines Vaters viel allein ist. Sie freut sich sehr über meinen Besuch. Wir reden viel, arbeiten und tauschen über viele Dinge aus. Abends dann die Idee: “Sollen wir noch zusammen den Rosenkranz beten?” - “Gerne!” Und wieder neu beginnen wir und ich habe sie alle im Herzen, denen ich versprochen habe, in diesem Jahr besonders an sie zu denken: Rebekka in Südafrika, Petra in Sarajevo, Patrick in Brasilin, Silvia in Neuseeland, Niko in Kanada, Marcus in Italien, Rita in Rumänien...

Ich war mehr als müde, denn ich war nachts sehr gefordert gewesen. Und dann stand da noch die Frage einer mir unbekannten Frau im Raum, ob ich bei ihr - im Altenheim - mal vorbei schauen könne. Eigentlich hätte ich ein paar Stunden Ruhe gebraucht, aber die Vorstellung, dass die alte Frau vielleicht wartet und die einfach zu beantwortende Frage nach der größeren Liebe, gaben mir den Impuls, noch zum Heim zu fahren.
Die Frau, auf die ich traf, war noch gar nicht so alt. Sie lag im Bett und konnte nicht mehr reden. Große Augen sahen mich an. Ich fühlte mit ihr. Körperlich konnte sie sich kaum noch bewegen. Ich stellte mich vor. Sie zeigte kaum wahrnehmbare Reaktionen. Dann entschuldige ich mich für mein vielleicht nicht taufrisches Aussehen, wegen des Nachtdienstes. Prompt huschte ihr ein leichtes Lächeln übers Gesicht! Das Eis war gebrochen und wir konnten ohne Worte perfekt miteinander kommunizieren!!  “In der kommenden Woche schau ich mal wieder bei Ihnen vorbei, wenn Sie mögen!” sagte ich ihr zum Abschied. Während ich das sagte, hielt ich ihre Hand. Und sie, die sich kaum bewegen kann, drückte sie leicht! Und ihre Augen, begannen richtig zu leuchten. So kostbar -  dieser Moment!!! Ganz reich beschenkt und überglücklich bin ich dann heimgefahren.  Gut, dass ich der Müdigkeit nicht nachgegeben hatte!

Immer neu treffen mich Botschaften, die mich tief berühren. Ein totes Kind ist in der Baby-Klappe eines nahen Krankenhauses abgelegt worden. Jetzt läuft die Suche nach dem “Täter” / der “Täterin” auf Hochtouren, denn das Kind hat nach der Geburt gelebt. Ich spüre die Not und Verzweiflung der jungen Mutter, die Ausweglosigkeit und ich sehe das Kind vor mir, das nicht leben durfte. Mit dieser Dunkelheit im Herzen bin ich da - vor Gott.
In einer Mail lese ich, dass die Eltern einer syrischen Familie auf langen Fluchtwegen mittlerweile in Bulgarien angekommen sind. Ein Verwandter dieser Familie hat alle Verpflichtungserklärungen für die Eltern unterschrieben und wollte sie nun in Bulgarien abholen. Voller Hoffnung und Vorfreude ist er aufgebrochen. Gestern ist er am Flughafen in diesem Land verhaftet worden, weil ihm vorgeworfen wird, ein Schlepper zu sein. “Haben Sie noch eine Idee, was wir machen können?” lese ich in der Mail. Ich spüre die Verzweiflung des Festgenommenen, der “alles richtig gemacht” hat und der nun ungerechtfertigter weise leidet und festgehalten wird. Ich spüre die Verzweiflung der in Deutschland wartenden Familie und ich spüre die Not der mittlerweile alt und hilfsbedürftig gewordenen Eltern und ich spüre die Ohnmacht der Helfer. Wieder neu: Da bin ich, auch mit ihrer Not vor Dir.
In den Bildern des Fernsehens schauen mich immer wieder die Flüchtlinge auf Lampedusa an, Helfer bergen Tag für Tag noch Tote dieser schrecklichen Katastrophe vor den Toren Europas. Auch diese Gesichter gehen mir nicht mehr aus dem Sinn. Ein junger Mann aus Eritrea bittet eine Reporterin um ihr Handi, um zu Hause anzurufen. Er sagt nur ganz kurz, es sei alles klar, er sei angekommen! Ich sehe sein Gesicht. Und gleichzeitig “sehe” ich das Gesicht der vielen Eltern und Verwandten in Eritrea und Somalia, die auch auf Botschaft ihrer Kinder oder Verwandten aus Europa warten und nie mehr Botschaft erhalten werden. Ihr Schmerz geht mir sehr unter die Haut. Auch diesen Schmerz versuche ich mit auszuhalten: Da bin ich - immer neu in und mit der Dunkelheit dieser Welt - vor Dir.

Mein Büro rappelvoll und jeder möchte "nur noch eben" irgendetwas...  Ich war echt gut gefordert. Den nächsten Klienten hatte ich erst einmal gesehen. Er war vorher bei einer Kollegin. Sie ist 53 Jahre alt, geschieden, hat eine erwachsene Tochter und betreibt einen Imbiss. Vor 3 Monaten hatte sie einen echten Schicksalsschlag erlitten. Ich wußte darum. Irgendwie wirkte sie völlig nervös, einerseits hatte ich das Gefühl, sie wollte mit all den Erledigungen in meinem Büro nur schnell fertig werden, aber irgendwas hielt sie zurück. Vor meinem Büro  immer mehr Stimmen... "Kommen Sie, setzen wir uns noch einen Moment", habe ich ihr gesagt und ihr einen Stuhl angeboten. Der Stuhl in meiner Hand löste einen Gedanken an unseren Monats-Impuls aus.  "Ich bin da (für dich)!" galt es innerlich zu sagen.  "Was haben Sie denn noch zu besprechen?" wollte sie wissen. "Ich habe den Eindruck, dass es Ihnen nicht wirklich gut geht",  bot ich ihr als Aufhänger. Volltreffer!! Sie sei völlig ohne Antrieb, wolle nur noch schlafen, schaffe die Arbeit nicht, müsse aber doch davon leben.... und ihre finanzielle Decke sei nicht stabil genug. "Was soll das....?" habe ich gar nicht zu Ende gefragt. Sie habe schon 2 mal auf einem Dach gestanden, sich dann aber doch nicht getraut zu springen, erzählte sie. Lange haben wir noch gesprochen. Richtig gut. Ich habe mich bedankt für ihre Offenheit, alles so zu erzählen und wir haben auch gleich einen Termin beim Psychiater bekommen, der sie ebenfalls unterstützt. . Am meisten gefreut hat mich, als sie sagte: “Eigentlich wollte ich  das nie jemandem erzählen. Aber jetzt bin ich echt froh, dass ich es Ihnen doch anvertrauen konnte!”