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Ich bin glücklich!

Ich bin ja seit einigen Wochen in einem neuen Arbeitsfeld. Gott hat mir sehr energisch aufgezeigt das ich nochmal aufbrechen muss und auch wenn ich deutlich spürte, dass mich dann wieder Angst, Grübeln, Panik und Einsamkeit beschäftigen würde. Aber ich erinnerte mich an ein Wort, das mir in einer bedeutsamen Lebenssituation zugesprochen worden war: „Du führst mich hinaus ins Weite!“

Mit diesem Wort im Gepäck nahm ich an einem Austauschtreffen meiner Berufsgruppe teil. Ich bat einen Priester um seinen Segen für meine neue Weg-Etappe. Dieser Augenblick wurde ganz besonders für mich. Ich hörte den Priester sagen: „Schau nicht auf Deine Grenzen, sondern schau darauf, wie stark Jesus ist. Du bist ein Mensch, der das Evangelium Jesu mit großer Freude weitergibt. Dass Du auch mit Depressionen zu kämpfen hast, tritt dabei nicht ans Tageslicht. Das zeigt mir: Die Kraft, die Jesus Dir schenkt ist bei weitem größer als die all der Dämonen, die in Deinem Kopf mit einander kämpfen.“

In diesen Momenten spürte ich: „ER ist da – HE happens!“ Das hat mir viel Mut gegeben, neu auf Gott zu setzen und darauf zu vertrauen, dass ich mit IHM all meine Tiefs leben und durchleben kann.

"Lass dich HEUTE berühren", war das Motto des gestrigen Tages. Letzten Samstag ist eine Bewohnerin meiner Alteneinrichtung verstorben. Am Geburtstag ihrer Tochter. In den Tagen davor habe ich viele Stunden an ihrem Bett gesessen in der Nacht ihres Heimgangs bis nachts um zwölf, bis sie ein wenig ruhiger war und die Nachtschwester alle wichtigen Dinge soweit erledigt hatte, dass sie öfter nach ihr schauen konnte.

Am Donnerstag zuvor haben wir mit der Familie an ihrem Bett die Krankensalbung gefeiert. Am Samstagmorgen am Bett der Verstorbenen mit zwei Pflegekräften und der engsten Familie gebetet.

Jetzt am Donnerstag sollte die Auferstehungsmesse sein. Ich habe Urlaub, genoß das Ausschlafen, da momentanen Umbrüche in meinem Leben mich viel Kraft kosten. Es war sehr heiß und ich hatte entgegen meines ursprünglichem Vorhabens, in diese Messe zu gehen und auch die Lesung zu übernehmen, ernsthaft überlegt,  liegen zu bleiben und nicht zur Kirche zu gehen.

Aber der Gedanke auch in dieser Messsituation den Angehörigen nahe zu sein, von denen ich mitbekommen habe, dass ihnen das Gebet, die Krankensalbung und jetzt auch die Messe wichtig für ihre Mutter war, sie aber aus verschiedenen Gründen sehr unsicher in all diesen Dingen sind, und die vielen Stunden des Begleitens ihrer Mutter, berührte mich. So stand ich auf und ging zur Messe.

Als die Messe begann, war niemand der Angehörigen da, ganz hinten saßen zwei Menschen, von denen wir nicht genau wussten gehörten sie zur "Trauergemeinde"? Der Priester fragte mich ob jemand da sei, ich antwortete vielleicht die zwei. Wir feierten mit den Leuten aus der Gemeinde, die da waren die Auferstehungsmesse für die verstorbene Bewohnerin. Ich konnte nicht verstehen, warum da jetzt niemand da war, ließ das aber los und konnte mit ganzem Herzen für meine Bewohnerin und für die Angehörigen diese Messe feiern.

Nach der Messe sprach ich noch einige Zeit mit Thorsten und als ich um kurz vor zehn ging, sah ich eine kleine Enkeltochter, die auch bei der Krankensalbung dabei war, über den Parkplatz kommen. Ich stutzte, ging näher und sah, die Familie mit acht Leuten am Auto auf dem Parkplatz stehen, sie wollten zur Messe, das war klar ersichtlich. Ich ging hin begrüßte sie und sagte ihnen, dass die Messe schon war, sie zu spät sind. Wir die Messe für ihre Mutter jetzt alleine gefeiert haben und war eigentlich ein wenig "pikiert innerlich", wie man zu so einem Anlass die Uhrzeit verwechseln kann...

Aber die wirklich echte Betroffenheit  in ihren Augen über diese Verwechslung, berührte mich und ich dachte SO kann ich sie jetzt auch nicht gehen lassen. Die Trauernden zu trösten.... Ich bot ihnen an, dass wir zusammen in der Kirche noch für ihre Mutter beten und im Rahmen wie in einer "Hauskommunion" auch die Kommunion empfangen könnten.

So standen wir alle zusammen im Kreis vor dem Altar, ich habe frei ein Gebet gesprochen, zusammen mit ihnen das Vater unser und das Gegrüßet seist du Maria, sie haben die Kommunion empfangen, ich noch ein freies Dankgebet gesprochen. Es war eine ganz dichte Atmosphäre, in der Jesus wirklich gegenwärtig spürbar war. Ich habe die Tochter, an deren Geburtstag die Mutter gestorben war und die die deutsche mehr schlecht als recht versteht beziehungsweise noch schlechter spricht, in den Arm genommen. Die Betroffenheit und Traurigkeit in ihren Augen war einem frohen und warmherzigen Blick gewichen. Sie bedankte sich sehr und auch die Blicke und Umarmungen der anderen Familienmitglieder sprachen Bände.

Sie fragten, ob sie noch bei der Pieta Kerzen anzünden dürften... und sie haben das dann noch in aller Ruhe getan und auch dort noch im Gebet verweilt. Ich ging derweil zu meinem Auto und fuhr in einer echten Freude nach Hause. In einer echten Freude darüber, dass Jesus in dieser Situation gegenwärtig sein konnte. Das eine Erfahrung der Liebe Gottes für die Angehörigen sein durfte, in ihre Betroffenheit und Verschämtheit sich so vertan zu haben hinein und ihrer Trauer.

Hätte ich mich gestern Morgen NICHT "berühren lassen" und wäre liegengeblieben, hätte ich mich von der Betroffenheit in den Augen der Familie NICHT "berühren lassen".... 

Wir waren für eine Studienarbeit zusammen gewürfelt worden, meine Kollegin mit serbischen Wurzeln und ich aus Albanien. Der zu bearbeitende Text war in englischer Sprache, unsere Power-Point-Präsentation hingegen sollte in deutscher Sprache sein. Meine Mitstudentin sprach nur gebrochen Englisch. So blieb der Hauptanteil der Arbeit an mir hängen. Ich gab alles, was ich konnte. Meine Mitstudentin sollte meine ganze Liebe spüren. Der Tag unserer Präsentation kam. Gemeinsam stellten wir unser Ergebnis vor. Wir bekamen eine sehr gute Note. Das Glück, das ich in den Augen meiner Mitstreiterin sah, berührte mein Herz zutiefst. Meine Liebe hatte sie getroffen und irgendwie auch verwandelt.

Wenige Tage danach ergab sich ein tiefes Gespräch mit ihr. Sie begann zu erzählen. Sie kam aus dem serbischen Teil Bosniens. Sie erzählte von ihren Eltern, die sie – trotz der ethnischen Zerwürfnisse in Bosnien-Herzegowina – in einer großen Liebe und Wertschätzung gegenüber jedem Menschen, egal welcher Herkunft, erzogen hatten. Ihre Mutter war vor einigen Monaten relativ plötzlich gestorben. Wäre sie in einem westeuropäischen Land gewesen, hätte ihr medizinisch geholfen werden können. Ich spürte eine tiefe Not in der Seele meiner Freundin und hörte ihr aufmerksam zu.

Plötzlich fragte sie mich völlig unvermittelt: „Glaubst Du, dass meine Mutter jetzt auf mich schaut?“ Wir hatten nie vorher darüber gesprochen, ob wir gläubig sind oder nicht. Ich sagte ihr. „Weißt Du, ich glaube, dass unser Weg hier auf der Erde, ein Pilgerweg ist und dass wir letztlich für die Ewigkeit gemacht sind. Unsere Seele kann ja hier auf der Erde nie ganz zufrieden sein. Irgendwie ist die Welt zu klein geraten für unsere Seele. Aber die Ewigkeit fängt nicht erst nach unserem Tod an, sondern wenn wir echt lieben, wie das Deine Mutter auch getan hat, dann beginnt die Ewigkeit schon jetzt. Und ich glaube, dass Deine Mutter jetzt für immer in dieser Ewigkeit beheimatet ist!“ Strahlend schaute mich die junge Bosnierin an. „Oh, wie schön, dass ich Dich das gefragt habe. Ich spüre, dass meine Mutter jetzt an einem guten Ort ist und dass sie auf mich schaut!“

Beim Eintritt zur Bibelgala in der Lamberti-Kirche in Münster hatte mein Mann seine Dauerkarte vergessen und dieses am Eingang gesagt. Das junge Mädchen antwortete: " Ich glaube Ihnen, Sie können durchgehen!"

Vor dem Workshop beim Impro-Theater ging ich zum Getränkestand. Es war noch kein Wechselgeld da und ich hatte nur einen 10€ Schein dabei. Das junge Mädchen sagte: "Bezahlen Sie doch nach dem Workshop, ich vertraue Ihnen."

Meine Schwester stieg am Bahnhof in einen Linienbus. Eine Mutter mit drei Kindern und Kinderwagen stieg zu und sagte dem Busfahrer: "Mein Mann kommt in einer Minute." Die Minute war vorbei und der Busfahrer sagte: "Ich warte."

Großartig. Glauben, Vertrauen und einfach mal Warten.