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Ich bin glücklich!

Ich war auf den Straßen unserer Stadt unterwegs und sah mir ein Ehepaar entgegenkommen, das in unserer Kirchen-Gemeinde sehr aktiv ist. Im Rollstuhl schob der Mann eine alte Dame, seine Cousine, die seit wenigen Tagen im Altenheim unseres Stadtteils wohnt. Er war sehr glücklich darüber, dass dies möglich geworden war, so war die Cousine in der Nähe und konnte gut betreut werden. Mich hatte schon sehr beeindruckt, dass das Ehepaar sich so um die alleinstehende, alte Cousine kümmerte! Das bedeutete eine neue Verantwortung und auch immer zeitlichen Aufwand und Geduld. Als die drei mir auf der anderen Straßenseite entgegen kamen, dachte ich, da kannst du jetzt nicht einfach vorbei gehen. Du kannst dem Ehepaar wenigstens einen kurzen Gruß sagen und bei der Gelegenheit auch die alte Dame kennen lernen. Also wechselte ich spontan die Straßenseite und ging auf sie zu. Sie freuten sich, als sie mich sahen. „Trinken Sie einen Kaffee mit uns?“ luden Sie mich gleich ein. Ich kam gerade vom Essen mit der koptischen Gemeinde, dachte dann aber, es ist die größere Liebe, sich jetzt auf diesen Kaffee einzulassen. Gern willigte ich ein. Eine Dreiviertelstunde saßen wir im Cafe und hatten uns eine Menge zu erzählen. Bei der Gelegenheit konnte ich auch gleich einige kleine Gemeindeangelegenheiten klären. - Ich war froh, dass ich den Schritt gemacht und dem Ehepaar diese Stunde mit der alten Cousine erleichtert hatte...

Am frühen Nachmittag kehrte ich vom Treffen mit einer koptisch-orthodoxen Gemeinde in unserer Stadt zurück, die ich besucht hatte. Sie sind seit etwa drei Jahren in unserer Gemeinde alle vierzehn Tage zu Gast. In den letzten Wochen ist die Gemeinde durch die Flucht aus Ägypten mehr als doppelt so groß geworden, aber die Gemeinde nimmt diese Herausforderung an und bietet für die Neuankömmlinge, die zum Teil noch in den Übergangsheimen wohnen, ein klein wenig Heimat: der gewohnte koptisch-orthodoxe Gottesdienst, der sonntags etwa drei Stunden dauert, und anschließend das Treffen der Gemeinde, bei dem die Gemeinde auch gerade für die Armen unter ihnen ein einfaches Mittagessen ausrichtet. Die Atmosphäre ist sehr herzlich, und die schweren Herzens aus ihrer ägyptischen (und auch syrischen, eriträischen und sudanesischen) Heimat Geflohenen finden hier einen Ort des Friedens, der Liebe und der Gemeinschaft, wo sie „im Glauben und in der Liebe bleiben“ können. Nach dem Mittagessen gibt es einen Deutschkurs, der jetzt hoffnungslos überfüllt ist, und einen Bibelunterricht, den der koptische Priester abhält. - Am heutigen Sonntag der Weltmission in der katholischen Kirche auf der ganzen Welt habe ich der Gemeinde mitgeteilt, dass wir an sie gedacht haben, und uns freuen, dass sie da sind. Alle freuten sich und brachten dies durch einen Applaus zum Ausdruck...

In den Sommerferien hatte ich drei Wochen Urlaub und eine Kollegin hatte einen Patienten von mir übernommen. Er ist sehr verwahrlost. Als ich das erste Mal da war, war schon vor lauter Katzenhaaren die ursprüngliche Teppichfarbe nicht mehr zu erkennen. Es hatte mich damals viel Schweiß und Überwindung gekostet, dort zu arbeiten. In meiner Abwesenheit hatte sich meine Vertretung nicht um die Sauberkeit der Wohnung gekümmert. Ich war sehr verärgert, konnte ich doch wieder von vorne anfangen. Ich hab versucht, mit aller Entschiedenheit aus all dem einen echten Akt der Liebe zu machen und nicht zu urteilen. - Kurze Zeit später ging meine Kollegin in Urlaub und es fand sich niemand, der einen von ihren schwer zu nehmenden Patienten für diese Zeit versorgen wollte. Ich dachte bei mir: “Das ist eine Chance, meine Liebe noch zu vervielfachen!” Obwohl auch ich mich mit dem Menschen schwer tat, hab ich den Schritt machen können.
Als ich in diese Wohnung kam, schlug mir so ein Gestank entgegen, dass ich schnellstens das Fenster aufreißen mußte, um mich nicht zu übergeben. - Für mich hieß es jetzt, beim Glauben und bei der Liebe zu bleiben, indem ich diesem Menschen in all seiner Not und Hilflosigkeit wertschätzend und liebend zu begegnen versuchte. Und das sollte mir weiterhin helfen, den Ärger über meine Kollegin zu überwinden. Für mich galt: “Leg in der Konkretheit der Liebe noch eins drauf!”- So habe ich (für sie) auch noch die Fenster geputzt und andere Reinigungsarbeiten übernommen, die nicht zu meinem Arbeitsfeld als Vertretung gehörten. Sie sollte sich freuen, wenn ich aus dem Urlaub zurück käme!
Dann kam die letzte Dienstbesprechung. Ich wollte in den Herbstferien Urlaub nehmen. Das Gespräch kam auf den Mann mit der Katz, es wurde nicht gerade liebevoll über ihn gesprochen. Vorsichtig erwiderte ich: “ Bei deinem Herrn ist es auch nicht gerade angenehm, aber ich habe es gern für dich getan!” Sie schaute mich an und schwieg.
Dann kam die Urlaubs- und Vertretungsplanung. Mein Urlaub stand plötzlich auf der Kippe, da sich niemand zur Pflege des besagten Herrn meldete. Doch dann meldete sich eben diese Kollegin und übernahm gleich drei Patienten - auch den etwas schwierigen Herrn. Ich war total erfreut. Nach der Dienstbesprechung sagte sie mir: “Weißt Du, ich hab mich echt gefreut über die Dinge, die Du für mich getan hast. Ich war ganz platt, sogar die Fenster hast Du geputzt! Und jetzt gönn ich Dir Deinen Urlaub von Herzen!”

Das Abi lag hinter mir. Das Studium begann. Ich mußte meine geliebte Heimatstadt verlassen. Diese Zeit war richtig schwer für mich. Vor wenigen Wochen war ich mit meiner Musikgruppe aus Siebenbürgen in Deutschland gewesen. Wir hatten wunderbare Tage verbracht und entdecken dürfen, wie konkret das Evangelium lebbar ist. Diese Entdeckung begleitet mich. Seither machen wir bei den “Freunden des Wortes” mit.
Aber nun war ich eingetaucht in eine Gesellschaft “ohne Gott”. In diesem Klima meiner Entdeckung treu zu bleiben, fiel mir schwer. Und dann kam auf einmal der Monatsbrief bei mir an: “Bleibe beim Glauben und bei der Liebe!” Als ich das las, begann ich zu weinen, denn diese Botschaft war allein für mich. Durch sie sprach Gott mich an. Er gab mir Kraft und Stärke. Ich konnte es kaum glauben, wie konkret Er ist und liebt. Er half mir und sagte mir: “Bleibe beim Glauben und bei der Liebe!” Auf einmal fühlte ich mich soooooo geliebt! Jetzt warte ich voller Spannung auf das nächste Wort!