Ich bin glücklich!
Ich hatte einen Freund gefragt, ob er sich vorstellen könnte, eine Sache gemeinsam mit mir zu machen. Mehrere Male fragte ich an, jedes Mal druckste er herum und blieb eine ehrliche Antwort schuldig. Ich spürte eine tiefe Enttäuschung in mir. Seit de Beerdigung meiner Mutter hatte mich eine Sache nicht mehr so aus der Bahn geworfen wie diese. Ich versuchte, auch in diesem Schmerz nicht stehen zu bleiben, sondern diese Situation als “Einladung Gottes” anzunehmen und weiter zu gehen. Abends saß ich im Gottesdienst und es fielen in der Lesung die Worte: “Gott tröstet!” - “Genau!” dachte ich. Und mir wurde klar, für wen ich letztlich leben wollte. Für Gott - und nicht für irgendwelche Sympathien! Wie befreit von einer mich niederdrückenden Last konnte ich nach Hause gehen!
Einer meiner Schüler, Till, war schon die letzten Jahre immer etwas auffälliger, aber die Trennung seiner Eltern hatte ihn so aus der Bahn geworfen, dass im Fachunterricht kein Unterrichten mehr möglich war. Alle unsere Strategien waren ausgereizt. Der Psychologe war bereits eingeschaltet. Aber in mir brodelte es: Ich kann doch jetzt die letzten Monate auf der Grundschule nicht so verstreichen lassen und Till, ohne weitere Maßnahmen auszuprobieren, seinem Schicksal überlassen! Mir kam die Idee, alle, die bereits mit im Boot waren, miteinander noch intensiver zu verzahnen. Mehrere gemeinsame Gespräche mit Eltern, Psychologen und Jugendamt halfen, einen ganz eng aufgebauten Rückmeldebogen für alle Beteiligten zu entwerfen. Trotzdem blieben die Bedenken der Kollegen: “Das haben wir aber doch alles schon ausprobiert. Das schafft er nicht!” war die fast einhellige Meinung. Trotzdem begannen wir mit der gemeinsamen Strategie. Der vorgegebene Zeitrahmen verstrich und Till musste in den ersten Tagen öfter an unser Abkommen, das an den Rückmeldebogen gekoppelt war, erinnert werden. Aber er schaffte es, sich genauso an die Regeln zu halten, wie jeder andere auch! Als ich ihm zu dieser großartigen Leistung gratulierte, schaute er stolz vor sich hin. Ich schickte ihn schnell in die Pause, damit er meine Tränen nicht sah.
Vor ein paar Wochen bin ich einem Mädchen mit einer ganz schweren Kindheit begegnet. Die Umstände für sie waren so schwer und lastend, dass sie ihre Familie verlassen mußte. Seither lebt sie in einer Pflegefamilie. Obwohl ihre Kindheit so schwer war, wollte sie gerne ihre Mutter und ihre Großeltern besuchen. Aber ihr war klar, dass sie es alleine nicht schaffen würde. Obwohl ich sie erst wenige Tage kannte, fragte sie mich, ob ich nicht mitkommen könne. Ich war gerade mitten in ein Ferienlager unserer Pfarrei mit vielen Kindern involviert. Für diese Kids gab ich alles und ich war kurz davor nein zu sagen, als mir ein Wort aus dem Evangelium einfiel. »Was ihr für einen der geringsten Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!« Dieses Mädchen war in echter Not. Ich verstand: Ich kann nicht nein sagen! Später fuhren wir dann zum Haus ihrer Eltern, aber sie konnte einfach nicht hineingehen. All die alten und schlechten Erinnerungen kamen wieder hoch. Wir saßen im Auto, mehr als eine halbe Stunde. Sie umarmte mich. Beten war unmöglich für sie. Ich erinnerte mich an den Satz: »Jesus hat keine Hände, nur die meinen...« Ich verstand, dass ich in diesem Augenblick Jesu schützender Arm für dieses Mädchen sein mußte. Ich wußte nicht, was sie gerade innerlich durchlitt, weil ich ihre Geschcihte nicht so gut kannte. Nach einer halben Stunden gingen wir ins Haus, beide gespannt, wie der Besuch wohl gehen würde. Es war sehr hart für sie, ihrer Mutter und den Großeltern gegenüber zu stehen, denn es war das erste Mal nach zwei Jahren. Aber es ging und ich war so glücklich, dass ich ihr in diesem Augenblick zur Seite stehen konnte. Wieder neu lernte ich, dass wir »Seine« Werkzeuge sein müssen in dieser Welt, wenn das Evangelium Wirklichkeit werden soll.
Immer wieder brachten die Nachrichten Bilder von der Taifun-Katastrophe auf den Philippinen. Ich saß in einem Lehrer-Gespräch und spürte, wie viel schweres auch an dieser Schule zu stemmen und zu verwandeln war. Zeit für zusätzliche Projekte schien es kaum zu geben. Immer wieder “klopften” die Bilder in meiner Seele an. So spielte ich - in aller Freiheit - die Idee ein, Jugendliche einzuladen, sich bei einem schon am übernächsten Tag stattfindenden Konzert für hilfesuchende Menschen auf den Philippinen einzusetzen. Die Idee traf auf offene Ohren. So gaben wir sie an die Schüler und Schülerinnen weiter. Diese entschieden: “Na klar, wir machen mit!” Sie informierten sich über die schwierige Lage in dem Inselstaat und entschieden, eine große Spendenbox zu basteln, in der sie Geld für den Wiederaufbau sammeln wollten. DreiSchülerinnen aus der Klasse wuchs der Mut zu, beim Konzert am nächsten Tag auf die Bühne zu gehen und von ihrem Projekt zu erzählen. Aber es ging ihnen nicht nur um Geld. “Don’t stop giving!” wurde breiter verstanden. Auch eine Minute schweigender Solidarität oder ein kurzes Stoßgebet zum Himmel oder Augenblicke ehrlichen Mitfühlens mit den Menschen auf der anderen Seite der Erde, galten als ein echtes “giving”. Viele der Schüler, die zum Konzert gekommen waren, kamen und gaben von ihrem Taschengeld. “Boh, das hätte ich gar nicht gedacht, dass so viele zu uns gekommen wären!” strahlte Jacquelina. Besonders bewegend der Augenblick, als ein noch relativ kleiner Schüler kam, sein Portemonnaie herauszog, in dem fast nur Cent-Stücke waren. Er nahm das einzige 2-Euro-Stück und gab es in die Spenden-Box. Die Botschaft war tief im Herzen angekommen. “Don’t stop giving!”