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Ich bin glücklich!

Eine längere Autofahrt lag vor mir. Ich hatte verschiedenste Leute im Herzen, die ich anrufen und grüßen wollte, um sie spüren zu lassen, dass ich sie nicht vergessen hatte. Nachdem ich drei Mail-Boxen glücklich gemacht hatte, kam es beim vierten Anruf zu einer Live-Begegnung am Telefon. “Schön, dass Du anrufst!” hörte ich und spürte, dass es zunächst von meiner Seite des Erzählens bedurfte. So begann ich von meinen vergangenen Tagen zu erzählen, vor allem von den kostbaren Momenten, die mir geschenkt worden waren. Dann reagierte auch mein Gegenüber am Telefon. Auf meine Frage, wie es ginge, kam eine sehr verhaltene Antwort. Ich spürte ein Ringen und Kämpfen, gepaart mit einer tieferen Unsicherheit. Mir kam der Impuls: “Bleib dran!” Und so versuchte ich, mich so gut ich konnte, in die Lebenssituation des Gesprächspartners hinein zu hören und von innen her zu verstehen. Mehr und mehr konnte ich anvertrautes Leid einordnen und ihm ein wenig die Schärfe und Schwere nehmen. Ich legte noch eigene kleine Erfahrungen hinzu, die Frieden in der Seele meines Gegenübers wachsen ließen. Als wir das Gespräch beendeten, begann ich, in den Anliegen, die ich gehört hatte, zu beten. Spät abends erreichte mich noch eine sms: “Danke, dass du angerufen hast! Das tat soooo gut!”

In Leipzig, der Stadt der Wende hatten wir uns getroffen. Ein “Zeit-Zeuge” wartete dort auf uns, um uns an seinen Erfahrungen zur Zeit der Wende teilhaben zu lassen. Fast achtzig jährig hatte dieser Mann zunächst die braune, dann die rote Diktatur durchleben und durchleiden müssen. Er hatte miterleben müssen, wie die Leipziger Universitätskirche, ein historisches Kleinod, von der DDR-Diktatur gesprengt worden war, weil einer der leitenden Köpfe geäußert hatte: “Das Ding muss weg!” Unser Zeitzeuge war in allen Anfechtungen treu geblieben und hatte sich - auch in der Verantwortung für seine Familie stehend - der DDR-Diktatur nicht gebeugt. Er hatte gespürt, dass sich die Schlinge um seinen Hals gegen Ende des Regimes immer stärker zugezogen hatte. Gebannt hörten wir zu.
Hier erzählte ein Mann objektive Geschichte, zutiefst verwoben mit seiner persönlichen Geschichte. Er spürte, wie sehr wir liebend Ohr waren für ihn und seine Botschaft. “Das erzähle ich eigentlich nie!” hörten wir ihn plötzlich sagen, “aber ich spüre, Euch kann ich das anvertrauen!” Aus tiefer Gegenseitigkeit geboren, begann er, innerstes historisches Wissen weiterzugeben. Er sprach von den Botschaften von Fatima, in denen Maria darum gebeten hatte, der Papst solle Russland - in Gemeinschaft mit der ganzen Bischofsschar der Welt-  ihr weihen. Er erzählte, wie Papst Johannes Paul II. direkt nach seinem Attentat die Fatima-Akte ins Krankenhaus gebracht worden war und wie sehr ihn diese Botschaft berührt und was sie in ihm bewegt hatte... Im Zuhören hatte ich den Eindruck, den inneren goldenen Faden der Geschichte der Wende “hören und sehen” zu dürfen. Vor unseren Augen erlebten wir Heils-Geschichte aus jüngster Zeit nach.

Wir sind in verschiedenen Kirchen beheimatet. Wir kannten einander nicht. Beim Abendbrot eines kleinen Kongresses kamen wir nebeneinander zu sitzen. Mir fiel der wache und interessierte Blick meines Gegenübers auf. Seine schweigende Zurückhaltung erlebte ich als sehr einladend. Ich begann ein wenig von meinen Erfahrungen zu erzählen und versuchte - mich  darin schenkend - eine Brücke zwischen unseren verschiedenen Welten. Ich erzählte von Jugendlichen, die im praktischen Tun dem gelebten Evangeliums auf die Spur gekommen waren und die darin eine Freude gefunden hatte, die sie nicht für möglich gehalten hatten... Bei meinem Erzählen schaute ich in Augen - wie in einen Brunnen. Ich begann vorsichtig nach seinen eigenen Erfahrungen zu fragen, mit Zusammenspiel mit jungen Leuten. Wir fanden in ein ehrliches, bereicherndes Gespräch. “Wirst Du von all Deinen Erfahrungen in Deiner Stadt in den nächsten Tagen noch mehr erzählen?” fragte mein Gegenüber mich vorsichtig. Ich spürte, wie sich unter uns ein Raum geöffnet hatte, Raum für den, der immer bei uns sein will.

Ich war zu einem Gottesdienst im Altenheim unterwegs. Im Anschluss daran brachte ich die Kommunion noch zu einer alten Frau, die in ihrer Kommunikationsfähigkeit schon sehr eingeschränkt ist. Ich hatte sie vor kurzem zum ersten mal besucht. Darüber hatte sie sich sehr gefreut. Eine Schwester von der Station ging mit mir. Als wir in das Zimmer der kranken Frau kamen, spürte ich, wie aufgeregt sie war. Ihr Gesicht und ihre Hände zitterten. Ich beugte mich zu ihr und sprach ganz nah an ihrem linken Ohr. Als ich sagte, dass ich ihr die Kommunion bringen würde, nickte sie und ihre Augen öffneten sich. Nach einem Vater unser habe ich ihr die Kommunion gereicht. Sie schloss ihre Augen und wurde ganz ruhig. Es muss wohl die innere Ruhe Gottes gewesen sein. Das war eine total schöne Erfahrung. Ich hatte ein wenig Angst vor der Begegnung mit dieser Frau gehabt, da auch bei mir so viel Hilflosigkeit war.  Um so mehr hat mich dieses ruhige, völlig gelassene und entspannt betende Gesicht gestärkt. In der Gegenseitigkeit der Liebe war Jesus da! Ich freue mich schon aufs nächste Mal.