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Ich bin glücklich!

“Mir geht’s nicht gut!” lese ich in einer sms. Seit vielen Jahren kenne ich ihn. Er war von fern her gekommen und hatte sich auf einen ungewöhnlichen Weg gemacht. Katholisch erzogen worden war er in seinem Land. Wirkliche Bedeutung hatte er seinem Glauben allerdings nicht zugemessen. Dann war ihm eine Erfahrung zuteil geworden, die ihn vor die Entscheidung stellte, seine Heimat zu verlassen, um in der Nachfolge Jesu eine Erfahrung der Lebendigkeit Gottes zu machen. Er hatte zugesagt. Spannend war seither sein Leben geworden. Immer wieder war er aufgebrochen, an verschiedene Orte. Er wollte ganz für Gott leben, ob verheiratet oder nicht, war noch nicht deutlich geworden. Dann hatte er sich verliebt. Sein Weg schien klar. Um sich zu prüfen, hatten er und seine Freundin eine lange Zeit durchlebt, in der sie keinen Kontakt zueinander hatten. Wenn ihre Beziehung tragfähig, “göttlich” wäre, dann würde sich ihre Liebe in der Zeit der “Trennung” vertiefen. War sie nur auf menschlichen Fundamenten gebaut, würde sie in einer solchen Zeit zerbrechen. Als sie sich wieder trafen, war ihre Liebe noch tiefer geworden. Sein Weg schien klar. Und nun war wieder alles ins Wanken geraten. Er hatte sich getrennt, um seinem Herzen, das nicht zum Frieden gefunden hatte, treu zu bleiben. “Mir geht’s nicht gut!” - “Mich dürstet!” Seit dieser Botschaft habe ich täglich für diesen Bruder gebetet und ich werde es weiter tun und damit Seinen Durst zu stillen versuchen.

Ich kenne ihn seit vielen Jahren. Lange Wegstrecken waren wir miteinander gegangen. Er hatte sich entschieden, Priester zu werden und war glücklich auf seinem Weg. Er hatte ein weites Herz, viele internationale Kontakte. Gesundheitlich hatte er immer zu kämpfen gehabt. Irgendwann war ihm eine junge Frau begegnet, mit einem kleinen Kind. Ihre Situation war nicht leicht. Er half ihr, als Fremde in einem neuen Land Fuß zu fassen. Sie lernten sich zu lieben. Immer wieder trennten sie sich, denn sein Weg schien klar und er wollte treu bleiben. Irgendwann jedoch stellte ihm das Leben die Frage, wie sein Weg weiter gehen solle, denn ohne es zu wollen, lebte er in zwei Welten. Ein langer Prozess des inneren Ringens blieb nicht erspart. Er entschied sich für die Beziehung und bat, als Priester entpflichtet zu werden. Ein schwerer Weg für ihn, der mit ganzer Seele in seinem Dienst gestanden hatte. Er fand eine neue Arbeit, fand Anerkennung und blieb der Kirche treu. Er fand eine Gemeinde, in der er weiter mit leben konnte. Die Sehnsucht, auch im Rahmen der Kirche wieder ganz teilnehmen zu können, blieb in seiner Seele. Langsam reifte in ihm der Entschluss, um Rückversetzung in den Laienstand zu bitten... Er schrieb mir einen langen Brief. Er rührte mich sehr. Ob ich ihm helfen könne, fragte er mich. “Na klar!” rief es sofort aus meiner Seele, denn wieder neu hörte ich Seinen Ruf: “Mich dürstet!”

Schon als ich zum ersten Mal von der Schule nach Hause lief, fiel mir ein Junge auf, der an einer Straßenecke auf dem Boden lag und als er mich sah, in lautes Lachen ausbrach. Immer wieder bin ich nun an ihm vorbei gelaufen und manchmal grüßte er mich oder fragte mich nach ein paar Shilling für etwas zu essen. Durch seine Verhaltensweise und seine Art zu sprechen, war mir schnell klar, dass er ein potentieller Schüler meiner Schule, einer Förderschule für Kinder mit geistiger Behinderung, ist. Die Schule war doch nur um die Ecke und hier muss ein Junge mit geistiger Behinderung auf dem Boden liegen und betteln? Ich sprach also eine der Schwestern in dem Konvent an, in dem ich mitlebe, und eine Lehrerkollegin. Schnell fanden wir heraus, wo die Familie wohnt und die Mutter willigte einem Besuch ein. Das Haus spricht nur so von der Not der Familie. Der Vater war HIV positiv und ein Jahr lang bettlägerig gewesen. Seine Kraft reicht immer noch nicht, um Geld für die Familie zu verdienen. Die Mutter war nie in der Schule und jobbt somit Tag für Tag in einem kleinen Restaurant, wo sie jeden Tag 100 Shilling (das ist weniger als 1€) verdient und damit immerhin etwas zu essen für die Familie kaufen kann. In dieser Belastung schafft sie es kaum, sich auch noch um ihre Kinder und das Haus zu kümmern. Alles war furchtbar chaotisch und wir fanden kaum einen Platz zum Sitzen. Gleichzeitig ist es so dreckig, dass alle von Sandflöhen gebissen werden und wir schon am helligten Tag eine ganze Rattenfamilie begrüßen konnten. Nun der Sohn... Sein Name ist Godfrey und er ist nicht der leibliche Sohn des Familienvaters. Dies und seine Behinderung scheint die Beziehung zwischen den beiden erheblich zu belasten, so dass er es zu Hause nicht aushält. Er berichtet, dass sein Vater ihn so sehr schlägt, weil er zu viel esse und ihn deshalb auch von Zuhause fortjage. Erst abends, wenn seine Mutter heimkehrt, traut er sich auch wieder nach Hause und bekommt dann schon kaum noch Essen. Selbst das Baden ist schwierig, da er aufgrund seiner Epilepsie nicht mit den anderen Kindern zum Fluss gehen darf. Wir waren echt geschockt. Dem Jungen fehlte es einfach an allem. Kein Essen, keine Anerkennung in der Familie, keine Liebe, keine Körperhygiene, keine Beschäftigung, dafür Angst, mit dem Vater alleine zu sein, Betteln, zerbissene Füße und Hände und keine Perspektive. Was würde es doch sein Leben auf den Kopf stellen, wenn er nur zur Schule gehen könnte! Wir starteten also einen Versuch und sprachen die Eltern auf diese Idee an. Zu unserer Überraschung war er schon an der Schule angenommen worden! Das einzige Problem waren die Matratze, Schuluniform etc. und die Schulgebühren. Schnell sprachen wir mit der Schulleiterin, die sofort alle Schulgebühren erließ, das Krankenhaus spendete die nötigen Medikamente und ein Moskitonetz, eine Lehrerin Geschirr, eine Schwester Seife usw. Am nächsten Tag holten wir ihn also zu Hause ab und ließen ihn mit seiner Matratze auf den Armen zur Schule laufen. Er lief stolz an dem Ort vorbei, wo er sonst immer gelegen hatte und ging nun mit 16 Jahren zum ersten Mal in seinem Leben in die Schule. Nun ist er schon einige Wochen da und es war alles andere als leicht. Aber die Mitschüler sind sehr geduldig und kümmern sich rührend um ihn, er ist schon fast gesund und trägt eine nagelneue, saubere Schuluniform. Da er nicht in meiner Klasse ist, kam ich in in den letzten Tagen einmal besuchen. Sein Lehrer gab ihm ein Keyboard und zeigte ihm kurz, wie es funktioniert. Da habe ich ihn zum ersten Mal richtig strahlend gesehen und mir schossen sofort die Tränen in die Augen. Seine Umwelt zeigt ihm immer und immer wieder "Du bist mein geliebter Sohn" und stillt Schritt für Schritt den schon viel zu lange ausgehaltenen Durst!

Meine Frau schlug mir vor, am Sonntagnachmittag eine ältere Dame im Altenheim zu besuchen, die wir unbedingt mal wieder besuchen mussten. Ich hatte keine besondere Lust, mich am Sonntagnachmittag aufzumachen zu diesem Besuch. Ich erinnerte mich aber an die "Tür", die ich durchschreiten wollte, und willigte ein. - Im Altenheim angekommen, fanden wir ein gewisses Chaos vor, viele Besucher waren da, am liebsten wäre ich wieder umgekehrt; unsere ältere Dame fanden wir auch schließlich in ihrem Rollstuhl im Aufenthaltsbereich. Plötzlich entdeckte ich ein aufgestelltes Schild da stehen: Frische Waffeln mit Kirschen und Sahne. Ich schlug vor, dass wir gemeinsam in die Cafeteria gehen könnten, um uns dort diese Köstlichkeit schmecken zu lassen. - Wir fanden dort einen Platz, kamen zur Ruhe, und schließlich wurden die Waffeln gebracht. Ich entdeckte, wie das Gesicht unserer älteren Freundin zu strahlen begann, wie froh sie war, diese Köstlichkeit mit uns zu essen und diese Zeit mit uns zu haben. - Da wurde mir klar, wie wichtig es war, diese Türen in den Willen Gottes durchschritten zu haben... Ich war sehr froh.