Ich bin glücklich!
Irgendwie fühlte ich mich immer noch nicht ganz wohl. Erkältungs- und Muskelschmerzen blieben treu. In meinem Kalender türmten sich viele kleine Dinge, die es zu tun galt. Der richtige Schwung wollte sich einfach nicht einstellen. Schon mehrfach war ich heute unbedacht durch Türen gegangen. Jetzt erinnerte ich mich daran, dass sie in diesem Monat zum Erinnerungsort werden wollten, immer neu in den Willen Gottes einzutreten.
Ich wandte mich kurz an Gott und versprach ihm, die Kleinarbeit dieses Tages für Menschen in meiner Stadt zu tun, denen es nicht gut ging. Meine Tagestätigkeiten sollten Liebe für sie sein. So begann ich mein Tagewerk. Immer wieder kamen mir Menschen in den Sinn, die zurzeit litten. So schrieb ich jemandem eine kurze sms, der mich hatte wissen lassen, dass “Freude heute ausfallen würde”. Später kam mir ein anderer Mensch in meine Gedanken. Auch da spürte ich betend eine echte Schwere. Ich mailte diesem Menschen einen Text als Gruß zu, den ich gerade hatte verfassen müssen und der sich mit dem Thema des “Verwandelt-Werdens” beschäftigte. Spät abends eine kurze Antwort: “Nochmals 1000 Dank für Dein Zuhören - vor einigen Tagen, für Dein Mitfühlen und Hoffnung geben! Das tut so gut!”
Ich begleite zur Zeit eine Familie, in der sich bei dem Sohn eine beginnende psychische Erkrankung zeigt. Die Eltern sind verständlicherweise sehr verzweifelt. Gestern Abend habe ich eine sehr verzweifelte Mail der Mutter bekommen. Ich wollte ihr Mut machen, wollte ihr Kraft geben, aber die Situation ist tatsächlich total verfahren. Da habe ich ihr geschrieben, dass sowohl sie als auch ihr Sohn von Gott so geliebt sind, wie sie sind. "Auch in dieser so schweren Situation seid Ihr nicht alleine!" hab ich ihr gemailt. Dann erzählte ich ihr von unserem Motto und von dem Spiegel, in der Hoffnung, dass es ihr hilft. Gerade bekam ich eine Mail mit dem Betreff "Hab wieder Mut". Die Mutter schrieb, dass sie den Kommentrar zu dem Wort "Du bist mein geliebter Sohn" ganz oft gelesen hat und dass sie heute schon mehrmals vorm Spiegel stand und leise geflüstert hat: Du bist von Gott geliebt!
Diese Liebe haben wir - meine Schwester und ich - am Wochenende mit Oma teilen können. Heute bevor wir beiden Schwestern wieder in unsere Studienorte gefahren sind, meinte meine Mutter: „So lebendig und aktiv wie dieses Wochenende mit euch ist Oma in der ganzen Woche nicht! Mit euch - eurem jugendlichen Elan - blüht sie richtig auf!“ Zwar hatten wir auch einiges für die Uni zu tun, aber meine Schwester kochte zusammen mit Oma und ich half ihr beim Haare waschen. Sie experimentierten in der Küche, damit Oma in der Woche Sachen aus der Tiefkühltruhe auftauen kann und unsere Mutter, die mit Oma zusammen im Haushalt lebt, nicht so viel zusätzliche Arbeit hat. Eine Aufgabe zu haben und gemeinsam etwas erreichen zu können, ist echt wichtig! - Dieses Strahlen in den Augen meiner Großmutter ist mir tief geblieben! Das, was sie geben kann, gibt sie aus Liebe. Als ich ihr erzählte, dass ich kommendes Wochenende beim Hochschulchorkonzert ein Solo singe, strahlten ihre Augen noch mehr. Sie war richtig stolz und sagte: “Schade, dass ich nicht dabei sein kann!” Ja diese voller Liebe füreinander gelebten Momente bleiben!
Um ehrlich zu sein, große Lust hatte ich nicht. Nach einer Klausurveranstaltung noch einen Umzug machen. Aber ich wußte, die beiden jungen Familien werden es alleine nicht regeln können. Keine von beiden hatte ein Auto und noch schwerer für sie war, einen Anhänger zu organisieren. Angeschlagen war ich immer noch ein wenig. Und doch kam mir immer wieder die “Goldene Regel” in den Sinn, aus Liebe dem anderen das zu tun, was ich mir auch von ihm in seiner Situation stehend getan gewünscht hätte.
So holte ich einen Anhänger und fuhr mit drei Männern - alles aus Syrien stammend - in eine Nachbarstadt, um dort ein Sofa abzuholen. Das Ecksofa, in vier Teile zu zerlegen, stand natürlich oben in der vierten Etage. Wir mühten uns ab, es auf den Anhänger zu laden. Es gelang. Auf der Rückfahrt erfuhr ich eine Menge über die jesidische Religionsgruppe, der zwei der Männer angehörten. Zum Essen konnte ich nicht mehr bleiben, so gab’s Tuppertöpfe voller leckerer orientalischen Spezialitäten.
Nach einem weiteren Termin am Abend - der zweite Umzug. Ein junges Paar war in unsere Stadt gekommen. Sie standen vor dem totalen Nichts. Was sie besaßen war allein eine geborgte Schlaf-Couch. Zwei Häuser galt es anzufahren, in denen wir wunderbare Möbel erhielten. Ich hoffte, um 22 Uhr fertig zu sein. Aber schon bald merkten wir, dass der Arbeitsaufwand deutlich höher sein würde, als geplant. Und dazu mußten alle Möbel in die dritte Etage! Immer wieder sah ich bei den Autofahrten mein eigenes Gesicht im Rückspiegel des Wagens. "Du bist unendlich geliebt!" sagte ich mir leise zu. Und dennoch: In meinem Herzen spürte ich auch Unwillen. Warum konnten nicht auch andere Leute diesen Menschen helfen? - Ein älterer Untermieter schaute unwillig - aufgrund der späten Störung im Hausflur - aus seiner Wohnung. Anstatt zu helfen äußerte er sein Unverständnis über die späte Aktion. Immer neu sagte ich meinem Herzen: “Antworte nur aus Liebe! Verwandle so diesen Schmerz in Liebe!” Nicht lange vor Mitternacht waren wir fertig. Als wir den Anhänger zurück brachten, wartete der Verleiher noch auf uns und half uns beim Einparken. Der junge Mann, für den ich all das hatte tun können, sagte mir kurz bevor wir uns verabschiedeten: “Wissen Sie, ich war heute nach dem Tod meines Vaters vor über 4 Jahren das erste Mal wieder in der Messe! Die hat mich total angesprochen. Denn ich hab gemerkt, dass das, was wir da feiern, ja total mit unserem Leben zu tun hat!”
Als ich mich von ihm verabschiedete, spürte ich all meine Knochen, eine große Müdigkeit und in meiner Seele einen tiefen Frieden. Ich hatte viele Augenblicke des Tages nutzen können, wirklich zu lieben!