Ich bin glücklich!
Von einem Telefonat war mir hängen geblieben: „Erzähl von deinen Erfahrungen!“ Ich war “auf Heimatbesuch” bei meiner Familie. Bei einem Spaziergang ergab sich ein Gespräch mit meiner Mutter, was nicht mehr allzu häufig ist. Was war jetzt dran? Was war der Wille Gottes für diesen Augenblick. Ich erinnerte mich an den Impuls: Erzähl von deinen Erfahrungen! - So begann ich, von mir zu erzählen, von Freunden, mit denen ich immer wieder Zeit teile.
Meine Mutter hörte sehr aufmerksam zu. Dann begann sie, sich zu öffnen und erzählte von ihrem Bruder, zu dem der Kontakt vor Jahren abgebrochen war, nachdem viele Probleme in seinem Leben aufgetaucht waren und er sich abgekapselt hatte. Jetzt wohnte er nicht mehr im Elternhaus, sondern irgendwo in seiner Heimatstadt. Meine Mutter hatte weder Adresse noch Telefonnummer... All das konnte sie erzählen und ich spürte, wie sehr sie litt, dass sie gar nicht mehr an ihren eigenen Bruder heran kam. Es wurde ein langer Spaziergang. Am Schluss sagte sie: „Weißt du, mittlerweile gehe ich schon ganz anders mit solchen lebensgeschichtlichen Problemen um, als noch vor einem Jahr. Ich versuche, mich ihnen ehrlichen Herzens zu stellen!” Als ich ihr dabei ins die Augen schauen konnte, spürte ich, wie gut es war, dass wir den Spaziergang gemacht hatten und dass ich begonnen hatte, einfach von mir zu reden.
Ein Tag stand an, ohne weltbewegende Dinge. Ich war schon durch einige Türen gegangen. Kostbar sollte er werden, durch die “kleinen Tür-Schritte” hatte ich mir vorgenommen. Es schellte. Ich arbeitete gerade im Keller. Die Stimme einer Tante hörte ich an der Tür. Vor einigen Jahren war ihr Mann gestorben, in diesen Tagen jährte sich sein Geburtstag. Die Arbeit im Keller - dachte ich mir - kann noch warten. So setze ich mich zu der kleinen Gesprächsgruppe, hörte aufmerksam zu und erzählte auch von mir. Mehr und mehr entwickelte sich ein Gespräch von Herz zu Herz. Ich durfte miterleben, wie meine Tante ihre nicht leichte Lebensphase meisterte und wie sehr sie an unterschiedlichsten Dingen Interesse hatte. “Weißt Du,” hörte ich sie sagen, “ich hab mich auch total für das Leben des Papstes interessiert, der in dieser Zeit dieses so schwere Amt in seinem Alter noch übernehmen mußte. Ich hab mir sogar das Buch gekauft, in dem sein Gespräch mit Jürgen Habermas aufgezeichnet ist. Es geht da um ‘Werte in Zeiten des Umbruchs’. Einige Sätze muss ich darin zwei oder drei Mal lesen, aber dann verstehe ich sie.” Ich war ganz gerührt, wie sehr meine Tante in den Herausforderungen unserer Zeit stand und ganz persönlich daran teilnahm. Als wir uns verabschiedeten, blieb mir eine große Freude im Herzen.
“Jeder Augenblick gibt dir die Chance, ganz in ihn einzutreten und damit im Willen Gottes zu sein!” Mit diesem inneren Impuls war ich in den Tag gestartet. Ich hatte die Möglichkeit, Zeit mit meiner Mutter zu verbringen. So half ich bei vielen Arbeiten, die im Haushalt zu erledigen waren. Nachmittags hatten wir Zeit. Ich spürte den Impuls, mit ihr einen Spaziergang zu machen. Trotz schlechten Wetters wagten wir uns nach draußen. Nach einem längeren Weg kamen wir an einem kleinen Café vorbei. “Magst Du einen Cappuccino?” fragte ich sie. Sie willigte ein - das erste Mal, dass wir nach dem Tod ihres Mannes / meines Vaters, wieder solch einen Schritt wagten. Wunderschön war’s in dem Café. Ich spürte die Freude meiner Mutter. Auf einmal sagte sie: “Ich glaube, draußen vor der Tür steht der Krankentherapeut, der immer zu unseren Vater gekommen ist!” Sofort ging ich raus, um ihn zu begrüßen und ihm nochmals danke zu sagen für seinen hervorragenden Dienst. Mit seiner Frau und drei kleinen Kindern kam auch er ins Café. Ein Strahlen ging über sein Gesicht, als er meine Mutter sah. Wir verlebten einige total herzliche Augenblicke! Ein echtes Füreinander und Miteinander, das wir in den Jahren vorher am Krankenbett unseres Vaters gelebt hatten, wurde hier ansichtig. Und dann fragte er meine Mutter ganz schüchtern: “Darf ich Sie im Frühjahr nochmals besuchen und mir eine kleine Pfefferminz-Pflanze schnorren? Meine erste, die sie mir damals geschenkt haben, ist nämlich kaputt gegangen?!” - Ich spürte, wie viel herzliche Beziehung in diesen Augenblicken lebte.
Mit der Fastenzeit hat sich für mich eine neue Tür geöffnet. Mit einem Freund hatte ich eine verrückte Idee. Wir haben jeweils 20 kleine Zettel beschrieben mit einer Aufgabe für den Tag. Fastenzeit sollte für uns nicht nur ein Verzicht auf Süssigkeiten bedeuten. Gestern stand auf dem Zettel meines Freundes: “Schreibe jemandem mit dem du dich gestritten hast! Geh einen Schritt aus Liebe!” Daraus ergab sich ein unglaublich tolles und auch mutiges Zugehen - per Mail - auf einen Menschen, mit dem es viele Schwierigkeiten gegeben hatte. Wir sind zwar gespannt, ob dieser zurückschreibt. Wichtiger aber ist, dass dieser Schritt aus Liebe gelungen ist.
Heute nun stand auf meinen Zettel: “Melde dich bei jemanden, der im Ausland wohnt.” Mich verfolgte seit Wochen ein schlechtes Gewissen, weil ich eine sehr betagte Tante von mir seit Ende November nicht mehr angerufen hatte. Ich hatte es mal zwischendurch probiert - ohne durchzukommen und hatte dann immer wieder ‚Ausreden’ gehabt. Heute nun war mein Tag, das lehrte mich das kleine Kärtchen. Ich rief an. UND ausgerechnet HEUTE hatte die alte Dame ihren ‚Bademanteltag’, wie sie nennt. Zu Deutsch: Sie arbeitet den ganzen Tag ihre Post an und bleibt so mit zu Hause. Eigentlich hatte sie eine andere Verpflichtung, aber AUSGERECHNET heute dafür Ersatz gesucht!