Ich bin glücklich!
Meine Eltern haben vor einiger Zeit ein Ehepaar kennen gelernt, das einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat. Der Mann hatte einen sehr schweren Schlaganfall und war danach lange Zeit im Krankenhaus an viele lebenserhaltende Geräte angeschlossen. Die Ärzte haben der Frau gesagt, dass sich der Zustand wahrscheinlich nicht verbessern wird. Diese Frau hat die Situation, so wie sie war, angenommen und war rund um die Uhr bei ihrem Mann im Krankenhaus. Sie hat viel mit ihm gesprochen, obwohl er keine Reaktion zeigte, hat bei ihm gebetet und war dabei nie schlecht gelaunt oder überfordert. Meine Eltern haben den Mann jeden Freitag besucht und mit seiner Frau zusammen gebetet. Nach einiger Zeit hat der Mann angefangen, mit den Augen zu reagieren, irgendwann konnte er dann auch wieder mit seinen Händen greifen und mit dem Kopf nicken und mittlerweile fängt er sogar an zu sprechen. Es hat eine enorme Verbesserung statt gefunden, an die die Ärzte nicht mehr geglaubt hatten. Die Frau ist natürlich überglücklich. Auch in den schwersten Stunden hat sie - gegründet im Vertrauen auf Gott - ihre Liebe geschenkt und Freude ausgestrahlt.
Ich war auf dem Weg zu einer Trauung. Auf dem Weg erreichte mich ein Anruf: “Eine junge Muslima hat im Internet den Film ‘be brother - be sister!’ gefunden. Sie ist so angerührt von der Botschaft dieses Filmes und möchte gern mit uns in Kontakt kommen. Sie wohnt in Berlin. Da ich gerade auf dem Weg in genau diese Stadt bin und selten dorthin fahre, hab ich den Eindruck: Du mußt ihr die Möglichkeit für ein kurzes Treffen anbieten. Wir erreichen uns. Ich bitte ihr an, mich spät abends, wenn ich mit den Brautleuten den Ablauf ihres Hochzeitstages abgesprochen habe, nochmals zu melden. Am nächsten Tag trafen wir uns an einem Bahnhof in der Nähe der Hauptstadt. Seit über drei Jahren studiert die junge Muslima in Berlin, ihre Wurzeln liegen in Albanien, aufgewachsen ist sie in einem aufstrebenden Land des Mittleren Ostens. Wir suchen uns ein Café. Wir beginnen, von einander zu erzählen. Ich schaue in die erwartungsvolle Augen einer jungen Frau, die unter einem schlichten Kopftuch hervorschauen. Ich erzähle von unserem Camp “go4peace in Europe” an dem junge Leute aus 27 verschiedenen Nationen und verschiedenster Überzeugungen teilgenommen hatten. Ich erzählte von der Performance “pieces4peace”, in dem zwei Kinder den key4peace gesucht und ihn in der Geschwisterlichkeit aller Menschen entdeckt hatten. “Oh, ich möchte dringend mit Euch in Kontakt bleiben, denn was Du erzählst ist auch zutiefst meine Überzeugung!” höre ich sie sagen. Unsere Zeit wird knapp. Ich lade sie ein, zu der ökumenischen Trauung zu bleiben. Sie willigt ein. Nach dem Gottesdienst sagt sie: “Das hat mich so sehr berührt, wie Du mit Deinem evangelischen Amts-Bruder gemeinsam diese Trauung gefeiert hast. Ihr wart wie Brüder und es war eine ganz tiefe Freude bei allen!” Ich lade sie ein, auch noch für eine Zeit an der Hochzeit teilzunehmen. Erneut willigt sie ein - ganz spontan. Als ich sie abends zum Bahnhof zurück bringe, hat sie noch eine Frage: “Weißt Du, viele Muslime glauben, ihr Christen glaubt an drei verschiedene Götter. Ich glaube das nicht, aber ich verstehe das mit der Dreifaltigkeit nicht. Kannst Du mir das erklären?” So stehe ich mit ihr auf einem Bahnhof, mitten im Osten unseres Landes, umflutet von Menschen, die diese junge Frau mit ihrem Kopftuch skeptisch anschauen und beginne ihr, das Geheimnis der Trinität ein wenig nahe zu bringen, beginnend mit der Erfahrung, dass der Mensch als einzelner nicht ganz vollständig ist, sondern dass wir einander brauchen. “Und wenn Menschen in der gegenseitige Liebe vereint sind, wenn sie echt alles füreinander bereit sind zu geben, dann geschieht unter ihnen etwas. Weißt Du, versuche ich ihr zu erklären, dann ereignet sich Gott in gewisser Weise unter uns. He happens!” Ich spüre, wie sich genau das ereignet hat, wovon ich behutsam gesprochen habe. ER unter uns, Brücken schlagend über alle Grenzen der Nation und Religion hinweg. Pfingsten!
Es ist Sonntag - Spätnachmittag. In der vergangnen Woche lernte ich eine Mutter mit ihrer Tochter kennen - in einem Café, das unsere Pfarrei für die Begegnung zwischen Flüchtlingen und Einheimischen anbietet. Die beiden kommen aus Albanien. Das Mädchen - 15-16 Jahre alt - hatte in den 9 Monaten ihres Aufenthaltes in Deutschland schon gut deutsch gelernt. Wir waren ins Gespräch gekommen. Ich erfuhr, dass auch der Vater und Bruder des Mädchens in unserer Stadt wohnten. Alle vier zusammen in einem Zimmer der städtischen Flüchtlings-Unterkünfte. Schnell war mir klar, dass diese Familie, aus einem sog. “Sicheren Herkunftsland” stammend, keine Bleibe-Perspektive in Deutschland hatte.
Seither trug ich sie im Herzen. Ich rief sie an und lud sie auf ein sonntägliches Eis ein. Als ich sie mit dem Auto abholte, spürte ich ihre Freude. In einem Eis-Café kamen wir erneut ins Gespräch. Bescheiden hatten sie sich alle ein kleines Eis bestellt. Der Vater zeigte mir Fotos von den Behausungen in Albanien, aus denen sie kamen. Sie glichen verrußten Erdlöchern. Die Kinder - in einem kleinen Dorf in der Nähe der albanischen Hauptstadt wohnhaft - waren jeden Tag zur Schule nach Tirana gegangen. Sie hatten echten “Hunger auf Schule”. Trotz der so hoffnungslosen Situation in ihrer Heimat, versuchte ich den vieren klar zu machen, dass ihre Zukunft in Albanien liegen würde. “Aber wißt ihr”, sagte ich ihnen, “wir sind uns nicht umsonst begegnet! Wir müssen jetzt hier schauen, auf welchem Weg wir Euch in Albanien unterstützen können!” Wir sprachen über ein bilinguales Gymnasium in Tirana. Langsam erhellten sich die Gesichter der Familie. Ich sah, wie sie Hoffnung schöpften und verstanden, dass sie die Zeit in Deutschland nutzen mußten, um gut die deutsche Sprache zu lernen und dann damit in ihrer Heimat einen guten Schulabschluss zu erlangen. Dann würden ihnen auch neue Wege offen stehen! Auf einmal ergriff die 16-jährige Tochter das Wort und sagte mir: “Wissen Sie, egal, ob aus all diesen Ideen, die wir jetzt gesponnen haben, etwas wird oder nicht. Danke, dass wir zusammen sein können. Sie haben uns angeschaut und sie haben nicht weggeschaut. Sie haben uns Ihre Zeit und Ihre Liebe geschenkt! Das ist weit mehr wert, als alles andere!” Spät abends schrieb ich noch einen langen Brief an eine Organisation, die im caritativen Bereich tätig ist und bat um Hilfe für die Schulausbildung der Kinder in Albanien. Denn ich bin mir sicher: Die Liebe findet immer einen Weg!
Mit einigen Engagierten in der Flüchtlingsarbeit kam ich Sonntagvormittags zu einer großen Flüchtlings-Unterkunft in unserer Stadt. Ein Jugendlicher namens Muhamad wartete schon auf uns und wollte uns beim Besuch eines Sonntags-Cafés - für Flüchtlinge organisiert - begleiten. Wir waren jedoch mit weitaus mehr Flüchtlingen verabredet. So lief der Junge, der ein wenig Englisch sprach, nochmals in die Privaträume, um die anderen zu holen. Eine kleine Karawane von ca. 30 Kindern, Frauen und Männern fand sich zusammen und zog gemeinsam zum Café.
Dort ergab sich ein Termin für einen hilfsbedürftigen tauben Jungen aus Syrien und ein Dolmetscher fand sich auch bereit. Eine Lehrerin bot an, einige der Flüchtlinge noch in einem Sprachkurs unterzubringen und das in einer Grundschule in unmittelbarer Nähe zur Unterkunft der Flüchtlinge. Ich hatte den Eindruck: Ein Anderer ist am Werk und lenkt!
An diesem Morgen hatte ich mich entschieden - entgegen meiner sonstigen Gewohnheit - nicht zum Gottesdienst zu gehen, sondern mit den Flüchtlingen zu sein. Unser Motto “Be brother - be sister!” hatte mich dazu gedrängt. Was mir blieb, war eine tiefe Freude darüber, was alles in diesen Stunden geschehen war.