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Ich bin glücklich!

Mein Großvater war seit einiger Zeit verwitwet. Er litt sehr an Einsamkeit. Schon lange kümmerten wir uns um ihn. In vielen Zeit-Etappen ging es gut und wir konnten diesen Dienst mit Freude tun, immer neu in ihm Jesus sehend. Aber es kamen auch Tage, an denen es schwer fiel diesem Dienst treu zu bleiben. So über die Pfingsttage. Schon früh merkte ich, dass wir dringend die Zeit mal wieder für uns brauchten. Aber dann wäre er über die Pfingsttage allein. Ich betete: “Komm, heiliger Geist!” Nachmittags erfuhr ich, dass der Bruder meines Großvaters ihn über die Pfingsttage eingeladen hatte. So war er in Gesellschaft und wir waren frei, uns zu erholen. Gott sorgt für uns - eben auch in diesen ganz konkreten Dingen!

Alles schien ausweglos! Am Telefon hörte ich geduldig zu. “Ich kann da nicht mehr hingehen, mich zerreißt das!” Ich konnte all die Gefühle und Barrieren gut verstehen. Was mich unruhig machte, war, einen Unfrieden in der Stimme meines Gegenübers zu hören. Die Beziehung zu seinem Vater war vor langen Jahren zerbrochen. Dieser Bruch blieb eine Last. Irgendwann war eine Begegnung zwischen beiden wieder möglich geworden - bei allen tiefen Wunden, die ein wenig vernarbt waren. Nun ging es dem alt gewordenen Vater gesundheitlich nicht gut. Es waren weitere Schritte für seinen Lebensabend zu überlegen. Alte Hoffnungen an intakte Familien-Verhältnisse spielten sich in die Seele dessen ein, mit dem ich sprach. In der gegebenen Situation waren sie nicht zu verwirklichen. Ich betete. “Komm heiliger Geist!” Immer wieder. War nicht die zerbrochene Sehnsucht nach einer intakten Familie das schwerste Kreuz was auf den Schultern des Anrufenden lastete. Vorsichtig brachte ich diese Vermutung ins Wort und machte Mut, dazu JA zu sagen.
Zunächst blieb ein Schweigen am Telefon. Und dann - ganz langsam - schien mir, als fiele eine ungemeine Last,  Unleistbares leisten zu müssen, von den Schultern der Seele meines Gegenübers. Tage später las  ich in einem Dankesbrief: Ich kann an der Situation nichts ändern! “Das ist Realität und die darf ich leben! Ich muss mir nicht beweisen, dass ich die Situation beherrsche, was ich ja offensichtlich auch nicht tue, aber sie beherrscht mich auch nicht (mehr)!
Der Blick Jesu vom Kreuz ist gnädig und nicht fordernd! Ich konnte im innigen Gebet meine tiefe Verletzung schenken und Jesus hat sie angenommen! Ich bin frei! Es ist, wie es ist und das gilt es in ehrlicher Liebe zu leben! Ich konnte sogar ein Gebet für meinen Vater beten, ganz allein für ihn!”

In meiner Nachbarschaft wohnt eine Familie, die letztes Jahr ihren kleinen Betrieb aufgegeben hat. An der Tür hatte ich damals gelesen: “aus gesundheitlichen Gründen”. Immer wieder hatte ich mir vorgenommen nachzufragen. Immer wieder hatte ich ein inneres Drängen gespürt, aber es war bei dem Vorsatz geblieben.
Vor einigen Tagen traf ich die Frau und spürte erneut den Drang, sie anzusprechen. Trotz aller Unsicherheit traute ich mich! Die Frau begann zu erzählen, ihr Mann habe im vergangenen Jahr einen schweren Unfall gehabt. Ich war erschüttert, denn von dem Unfall wußte ich. Es hatte zwei Schwerstverletzte gegeben und einen der beiden Unfallbeteiligten kannte ich. Nun hörte ich, wer der zweite war. Lange war ihr Mann im Krankenhaus gewesen und über Wochen war nicht klar, ob er überhaupt würde überleben können. Sie erzählte, was das für sie und ihre Kinder bedeutet habe und sie sprach darüber, dass sie sich durch das Gebet und die Hilfe einiger direkter Nachbarn sehr getragen gefühlt hatte. An Arbeit war für ihren Mann kaum mehr zu denken, es war schon ein Wunder, dass er an Krücken wieder gehen konnte. Und es blieb die große Herausforderung für ihn, zu dieser Behinderung nun Ja zu sagen und mit ihr- vor allem im Zusammensein mit anderen - zu recht zu kommen...
Wenn wir uns jetzt in der Stadt begegnen, schenken wir einander immer einen kurzen freundlichen Blick und dann und wann erzählen wir auch ein wenig. Wie gut, dass ich diesem inneren Drängen in mir gefolgt bin!

Auf meinem Weg zur Arbeit stieg eine junge Frau mit zwei Kindern in den Zug ein - ein Kind im Kinderwagen, das andere an der Hand. Sie stieg mit mir ins selbe Abteil ein, suchte aber keinen Blickkontakt. Als wir ausstiegen, war sie ganz mit ihren Kindern beschäftigt. Auf dem Bahnsteig hatten es viele Leute wieder sehr eilig. Ich dachte an die Treppe, die für die junge Frau - ohne Aufzug - nach wenigen Metern zu bewältigen sein würde. Ich fragte sie, ob ich ihr mit dem Kinderwagen behilflich sein könne. Sie verneinte. Nun blieb ich dran, denn sie hatte ja auch noch einen etwa zweijährigen kleinen Jungen an der Hand. Ich frage Sie, ob ich denn wohl dem Kleinen bei der Treppe helfen solle. Das war kein Problem. Kurz vor der Treppe kam noch eine andere Frau und half dann doch bei dem Kinderwagen. Als es die Treppe auf der anderen Seite wieder hoch ging, blieben zwei junge Mädchen stehen und halfen bei dem Kinderwagen. Der Weg für mich und den kleinen Jungen dauerte etwas länger, denn wir waren “ins Gespräch" gekommen. Auch als wir die Treppe hinter uns gelassen hatten, blieb er an meiner Hand und nahm die der Mutter noch dazu. Ich erfuhr, dass sie auf dem Weg in einen Nachbarort waren, um einen kleinen Hund abzuholen. Das bedeutete, sie mußten auch noch mit dem Bus fahren. Ich begleitete die drei bis zur Bushaltestelle und der Kleine gab mich wieder frei. Kurz vor der Stadt überholte mich der Bus und der kleine Junge stand am Fenster und winkte mir zu.