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Ich bin glücklich!

Ich erfuhr, dass meine Oma auf der Intensivstation lag. - Ich war hin und hergerissen. Sollte ich sonntags noch hinfahren oder erst am Montag? Ich gab einem inneren Dränen nach und beschloss beim Mittagessen, sofort zu fahren und nicht bis Montag zu warten.
Als ich im Krankenhaus an der Intensivstation klingelte, sagte man mir, dass meine Oma auf eine normale Station verlegt worden sei. In diesem Zimmer angekommen, saß meine Patentante bei ihr. Ich sah, wie schlecht es meiner Oma ging. Sie atmete schwer und war schon zeitweilig kaum noch ansprechbar. Meine Tante mußte am späteren Nachmittag fahren. So entschied ich spontan, über Nacht zu bleiben, auch wenn ich dafür nichts mitgebracht hatte. Aber ich wollte sie in diesen schweren Stunden nicht allein lassen.
Der Krankenpfleger brachte mir einen Sessel ins Zimmer und auf meine Nachfrage, ob es in der Cafeteria wohl noch eine Kleinigkeit zu essen gäbe, war seine “Ich bringe ihnen gleich etwas zum Abendbrot, dann können Sie bei Ihrer Oma bleiben!”
So saß ich allein am Bett meiner Großmutter - eine sehr intensive Zeit. Ein wenig fürchtete ich mich vor dem, was kommen könnte, denn ich war in den letzten Augenblicken eines Menschen noch nie dabei gewesen... Und dann, wenige Minuten nach 21 Uhr starb sie in meinen Armen.
All meine Angst war in diesen Augenblicken weg. In mir war eine tiefe innere Ruhe, die mich ganz bei ihr sein ließ. Es war ein unglaublich ruhiger, friedvoller Übergang... - Spät abends  holte mich mein Onkel aus dem Krankenhaus ab und ich schlief in der Nacht in dem Gästezimmerchen, wo ich schon als Kind schlief. In diesem Zimmer, habe ich zum ersten Mal von Jesus gehört. Oma hatte mir von ihm erzählt! Hier hatte ich das erste Gebet meines Lebens gesprochen, das erste Mal - ganz kindlich -  Seine Nähe erfahren dürfen. Ich musste damals dort schlafen, weil meine Mutter im Krankenhaus lag und ich hatte große Angst... So habe ich durch meine Oma gelernt, schon als Kind mit allem zu Jesus zu gehen. Er wurde mein tiefster Halt.
Jetzt lag ich da in diesem Zimmer, wo meine Oma mir das erste Mal von Jesus erzählte, mit mir betete und eben noch, durfte ich ihre Hand halten, mit ihr beten und ihr von Jesus erzählen... Mir war, als schließe sich ein Kreis. Und ich spürte eine Liebe in allem - ganz persönlich!

In den letzten Wochen hatte ich eine Familie begleitet, die durch die akute Erkrankung des Mannes in arge Bedrängnis gekommen war. Existentielle Not tat sich auf. Ich fand einen Therapeuten, der die Muttersprache der Familie spricht. Er erklärte sich bereit,, uns noch trotz seines überfüllten Terminkalenders zu empfangen. Die Praxis lag nicht gerade in der Nähe, aber ich richtete es ein, dass ich die Familie mit dem Auto bringen konnte. Der Therapeut war sehr um uns bemüht, aber auch überrascht, dass ich mich “persönlich” so um diese Familie kümmerte. Glücklicherweise konnte er dem Mann etwas weiter helfen und die akute Situation deutlich entschärfen. Zwei Mal habe ich den Mann gefahren und beide Male antwortete der Therapeut auf mein Danke für seine investierte Zeit: “Nein, nicht Sie haben zu danken! Ich habe zu danken, dass Sie sich so um meine Landsleute kümmern!” An die Besuche schloss sich noch  ein offizieller Schriftwechsel an. Wie sehr war ich überrascht, als ich in dem offiziellen Brief einen kleinen, handschriftlichen Gruß an mich fand! - In mir blieb eine echte Freude, über den Gruß und die beidseits ganz persönliche Begegnung!

Mit meiner Freundin, die mich am Klavier begleitete, hatte ich die erste Präsentation  in einer “Weihnachtsklassenstunde” mit einer Arie aus Bach's Weihnachtsoratorium „Schlafe mein Liebster“ einzuspielen.  Trotz langem Vorspiel brauchte ich Zeit, um mich in dieses Stück innerlich einzufinden. Mit alle meiner emotionalen und rationalen Kraft versuchte ich mir die Situation des Liedes vorzustellen, die wir im Unterricht erarbeitet haben: Ich sollte mir vorstellen, ich sei Maria und würde Jesus im Arm wiegen. Nach der Präsentation gab mir meine Freundin eine Rückmeldung. Sie sagte mir, sie habe gemerkt, dass ich die technisch anspruchsvolle Alt-Arie im Unterricht gut erarbeitet habe, aber was den Ausdruck anbeträfe, könne ich das noch zärtlicher und liebevoller bringen. Ich weiß, dass es bei Aufführungen gilt, 150% zu geben, damit 100% ankommen. In diesem Augenblick war ich echt enttäuscht über mich, denn ich hatte nicht gezeigt, was in mir steckt! Heute - ein paar Tage später -  sprach mich meine Freundin nochmal ganz persönlich drauf an und sagte: „Vertrau dir! Ich weiß, dass du das kannst. Geh mehr aus dir raus! Du brauchst dich nicht verstecken. Hab Mut zum Ausdruck!“ Von meiner Gesangslehrerin hatte ich das schon öfter gehört: “Die Technik läuft, denk jetzt nur an Ausdruck, dann hast du automatisch die richtige Einstellung zum Singen!”  Diese Ermutigung tat mir echt gut. Irgendwie hatte ich den Eindruck: Gott nimmt mich in den Arm, ganz persönlich!

Über mehrere Jahre hatte die Schwester eines Pflegedienstes mit großer Treue und Zuverlässigkeit meinen Vater gepflegt. So hatten wir am Krankenbett viel Zeit gemeinsam verbracht und dabei immer eine Menge an Leben geteilt. In diesen adventlichen Tagen kam sie mir wieder neu in den Sinn. So packte ich ein kleines Geschenk sorgfältig ein und legte es vor ihre Haustür - ganz persönlich. Wenige Tage später, als ich bei meiner Mutter vorbei schaute, empfing sie mich schon strahlend auf der Haustür und sagte: “Rat mal, wer mich heute besucht hat?” Ich hatte keine Idee. Und dann erzählte sie, dass die Schwester des Pflegedienstes vorbei gekommen war mit einer kleinen Blume in der Hand und dass sie eine ganze Zeit miteinander geredet hatten.