Ich bin glücklich!
Das Tagesevangelium begleitete mich. Die “wunderbare” Brotvermehrung. “Gib Du ihnen zu essen!” war unser Motto. Stau auf dem Kölner Ring. “Gib Du ihnen zu essen!” Ich betete für die vielen Menschen, die ich im Herzen hatte, für die Autofahrer, die z.T, ungeduldig und hektisch fuhren. Mein Herz war ganz im Frieden. Im Domradio lernte ich die engagierte, freiberufliche Mitarbeiterin kennen. Bisher hatten wir nur Telefonkontakt. Ein ehrliches, authentisches und engagiertes Gespräch entwickelte sich - am Radio. Ich gab mich und meine Erfahrung ganz in die Antworten hinein. SEIN Leben in mir, sollte “Essen” sein für die, die es hörten oder via internet hören würden. Die Begegnung “im Radio” gelang. Zum Abschied - eine herzliche Umarmung und gleich die Bitte, noch dieses Jahr beim “Evangelium für den Tag” mindestens eine Woche mitzuarbeiten. Eine Woche im Juni war schnell gefunden.
Abends erreicht mich noch eine Botschaft auf dem Handi. “Habe eben in die heutige Sendung hineingehorcht. War richtig getroffen. Die Begegnungen, von denen du erzählt hast, waren auch für mich total bewegend. Hab Gott neu entdeckt. Hab in den vergangenen Tagen - obwohl so viel Arbeit war - immer neu in den Augenblicken zu verstehen gesucht, was dran war. Das hat bedeutet, z.B. einen Besuch bei einem allein stehenden Mann zu machen, obwohl keine Zeit da war...” - “Gib Du ihnen zu essen!” Der verborgene Gott am Werk.
(http://www.domradio.de/radio/sendungen/menschen/pastor-und-friedensarbeiter-bosnien)
Gott sei Dank kam dann aus unserer Nachbarstadt ein Krankenwagen, der sie dort ins Krankenhaus brachte. Nach den Untersuchungen bekam sie einen Tropf und als wir in das Behandlungszimmer durften, war sie schon fast wieder ganz die alte. Sie war wieder munter und wollte gleich mit nach Hause, was natürlich nicht möglich war. Aber wir waren erstmal erleichtert. Oma lebt! - und ist jetzt in guten Händen. Gott sei Dank!
Es war Silvester. Sechs Freunde sollten abends in das Haus meiner Eltern kommen, um zu feiern. Meine Eltern waren die Gastgeber, aber die Vorbereitung des Essens fiel allein auf meine Mutter: Vorspeise, Suppe, Hauptspeise, Nachtisch plus „Neujahrskuchen“ für Mitternacht. Sie machte sich ungeheuren Stress. Alles sollte „perfekt“ sein. Das Problem daran: Sie verglich ihr Tun sehr stark mit dem der Gastgeber der letzten Jahre. Wie war das Essen da? Wie war der Tisch gedeckt? Sie stand unter enormer Anspannung und war sehr negativ eingestellt. Immer wieder sagte sie: „Was ist, wenn es denen nicht schmeckt? Du kennst doch xy, der hat immer was zu meckern. Was ist, wenn der Wein nicht gut genug ist?“ Ich versuchte sie zu beruhigen und sagte ihr, wie lecker sie doch koche! Nachmittags schenkte ich meinen Eltern eine Stunde, in der wir gemeinsam Karten spielten. Dabei versuchte ich sie ein wenig aufzumuntern, was aber nicht wirklich gelang.Kurz bevor mein Vater mich zum Bahnhof bringen wollte, fand ich meine Mutter in der Küche. Die Verzweiflung war ihr ins Gesicht geschrieben. Daß sie nicht anfing zu weinen, war alles. Ich fragte, was los sei. Sie hatte nachmittags das Lammfleisch schon gebraten und machte den Deckel auf. Das Fleisch war extrem zusammengeschrumpft und es sah wirklich wenig aus. Ihre Stimme zitterte und zeigte, dass sie mit den Nerven am Ende war: „Das reicht doch niemals. Das eine Stück kann xy schon alleine essen.“ Ich redete wieder auf sie ein und versuchte wirklich alles, um sie zu beruhigen: „Es gibt noch Fisch zur Vorspeise, ihr habt eine Suppe, es gibt Nachtisch UND Kuchen. Wer soll da denn nicht satt werden?“ Dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, dass meine Worte gar nicht bei ihr ankamen, sondern einfach abprallten. Die Zeit drängte, ich musste wirklich los, um den Zug zu bekommen. Ich nahm sie in den Arm und drückte sie ganz fest. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wann ich meiner Mutter das letzte Mal einen Kuss gegeben habe, aber ich legte meine Hände um ihr Gesicht, hielt es fest und gab ihr einen Kuss auf die Wange. So standen wir einige Sekunden, aber ich hatte das Gefühl, die Zeit bleibt stehen. Ich bat Gott, sie zu berühren, ihr wie bei einem Blick in den Spiegel zu sagen, dass sie unendlich geliebt ist und ihr wieder Ruhe zu geben. Als ich sie losließ, sagte ich mit einem Strahlen: „Ok. Lass uns wetten. Ich sage, das Essen reicht auf jeden Fall. Wenn was übrig bleibt – und ich mich freue, dass ich es essen darf – gibst du mir im Sommer einen Eisbecher aus. Wenn nicht, bezahle ich.“ Sie grinste.
Am nächsten Tag fragte ich: „Und? Bekomme ich im Sommer einen Eisbecher?“ Sie lachte und sagte: „Ja, eher zwei.“ Wir hatten unglaublich viele Rest und konnten weitere zwei Mal davon essen.
Als er dann im Bett war, bin ich nochmal zu ihm gegangen und habe ihn minutenlang im Arm gehalten. Tränen liefen bei ihm. Dann sagte er: “Ich kann doch nichts dafür! Ich wollte das gar nicht! Und ich hab Dich ganz lieb, Mama!” Den Kleinen in meinen Armen haltend, konnte ich einfach nur diese innerer Verzweiflung und Zerrissenheit mit ihm aushalten und ihm sagen, dass ich weiß, dass er uns liebt, das wir ihn genauso gern haben. Ich blieb lange noch bei ihm und konnte so durch mein Da-Sein inneren Halt schenken! Wie schön, in diesen Tagen erlebbar machen zu dürfen: “Du bist mein geliebter Sohn!”