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Ich bin glücklich!

Es war ein schöner friedvoller Abend, den wir hatten verleben dürfen. Gegen Ende rastete plötzlich eines unserer Kinder aus - völlig unerwartet. Eine Cola-Flasche flog in den Weihnachtsbaum. Weihnachtskugeln zerbarsten... wir waren völlig vor den Kopf getreten. Mein Mann und ich schauten uns an und begannen zu tun, was gerade möglich war: Scherben fegen und Getränkepfütze beseitigen. Unser Kind saß mit verschränkten Armen, total in sich verschlossen in der Mitte unseres Tuns. In dem Augenblick war der Kleine nicht ansprechbar und schon gar nicht körperlich berührbar.
Als er dann im Bett war, bin ich nochmal zu ihm gegangen und habe ihn minutenlang im Arm gehalten. Tränen liefen bei ihm. Dann sagte er: “Ich kann doch nichts dafür! Ich wollte das gar nicht! Und ich hab Dich ganz lieb, Mama!” Den Kleinen in meinen Armen haltend, konnte ich einfach nur diese innerer Verzweiflung und Zerrissenheit mit ihm aushalten und ihm sagen, dass ich weiß, dass er uns liebt, das wir ihn genauso gern haben. Ich blieb lange noch bei ihm und konnte so durch mein Da-Sein inneren Halt schenken! Wie schön, in diesen Tagen erlebbar machen zu dürfen: “Du bist mein geliebter Sohn!”

Vor einiger Zeit hatte ich meiner Tante eine Lebensordnung vorgestellt, die für mich ausgesprochen erstrebenswert ist und die unter anderem das tägliche Lesen und Verinnerlichen des Evangeliums enthält. Gestern nun sagte sie in einem Telefonat, dass ich ihr Leben ganz schön durcheinander gebracht habe. "Wie das?" war meine erstaunte Frage. "Naja, mein Mann und ich haben wieder die Bibel hervorgeholt, lesen jetzt auch täglich das Evangelium und kommen darüber ins Gespräch. Eigentlich hatte ich mir mein Leben, mein christliches Leben, ganz bequem eingerichtet, mit sonntäglicher Messe und so, aber nach unseren Gesprächen habe ich gespürt, dass da doch viel mehr sein muss."

Seit zwei Wochen leben wir in unserer Pfarrei mit dem Wort „Herr, du kennst mich“. Ich versuchte achtsam zu sein und wollte entdecken, wie dieses Wort sich in meinem Leben realisiert. Doch mit den verstreichenden Tagen, in denen ich einfach nichts entdecken konnte, wurde ich leicht frustriert.

Letzten Dienstag mussten unserem Hund vier kleinere Geschwüre herausoperiert werden. Diese wurden dann eingeschickt um zu prüfen, ob sie bösartiger Natur sind. Ich betete und hoffte, dass dies nicht eintritt: „Herr, du kennst mich und weißt, was ich brauche.“ Der Befund, der mich dann aber am Freitag erreichte, war nicht erfreulich: bösartige Gewebe und es ist nicht klar, ob es schon Metastasen im Körper des Tieres sind. Für mich und meine Familie war das ein Schock. Unser Hund ist noch jung und so fit, dass wir uns noch auf viele Jahre mit ihm freuen. In der Trauer stieg auch die Frage in mir auf: Herr, kennst du mich wirklich? Ich wollte den Zweifeln keinen Raum geben und betete immer wieder.

Für die Sonntagsmesse hatte ich die Aufgabe übernommen, den Kindern zu helfen, mit ihren Kerzen keinen Kirchenbrand zu entfachen oder hinzufallen. Als ich aber am Morgen aufstand,
schmerzte meine rechte Hand so sehr, dass ich mir nicht sicher war, ob ich wirklich helfen konnte. Doch so kurzfristig absagen wollte ich unserem Pfarrer nicht. Diese Sorge musste ich aber nicht lange in meinem Herzen tragen, denn ein sms erreichte mich: „Guten Morgen, unsere Tochter würde Dir gerne helfen auf die Kinder auf zu passen. Wäre das o.k. für dich?“ – Und wie das o.k. war für mich!
Diese Erfahrung war mir Zeichen und Antwort auf meine Zweifel und Fragen, ob er mich denn wirklich kennt. Ja, ER kennt mich und weiß, was ich brauche. ER kennt auch unsere Situation mit unserem Hund und so kann ich jetzt wieder mit neuem Mut vorwärts gehen.
Irgendwie ging mir das Gespräch nicht aus dem Sinn. Ich war verärgert - über mein Gegenüber und über mich selbst. Es war zu keiner klaren Begegnung gekommen. Auch einige meiner eigenen Reaktionen verstand ich nicht richtig. Es rumorte in mir und ich war unzufrieden. “Wer die Wahrheit tut, kommt zum Licht!” Dieses Wort Jesu ging mir immer wieder durch den Kopf. Aber welches Wort - was ich tun konnte - konnte mir Licht geben. Mir kam das Psalmwort dieses Monats in den Sinn: “Herr, Du kennst mich!” Ich sagte es mir zu - leise - immer wieder. In meinem Sauersein - Herr, Du kennst mich! In meiner Enttäuschung - Herr, Du kennst mich!. In dem, was unausgesprochen und damit auch unklar blieb - Herr, Du kennst mich!... Immer wieder sagte ich mir leise dieses Wort zu... und mehr und mehr spürte ich, wie meine Seele in einen tiefen Frieden zurück fand und los lassen konnte!