Ich bin glücklich!
Eine Woche lang hatten wir im hybriden Sommercamp an 7 Orten Europas vernetzt zusammen gelebt und uns für den Frieden engagiert. Im Camp in meiner Stadt waren fast 100 Ukrainer*innen engagiert. Jeden Morgen begannen wir mit einem kleinen Motto aus dem Tages-Evangelium. Am vorletzten Tag lasen wir im Evangelium: „Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu!“ Wir verstanden: Maria war im Hören auf Jesus ganz auf das Wirken Gottes ausgerichtet. So war unser Motto: „Gott ist am Werk, entdeck es!“ Bei unserem Abschlusstreffen am nächsten Tag dankte ich den Ukrainischen Campteilnehmer*innen für die viele Liebe, die sie im Camp investiert hatten. In dieser Liebe – so ließ ich sie verstehen – war und ist Gott am Werk, denn ER ist die Liebe. Spät abends schrieb mir eine Ukrainerin: „Danke für diese wunderbare Zeit. Ich habe einen so tiefen Frieden in mir gespürt. Ich werde in die Ukraine zurück kehren, aber ich habe mich bei dem Gedanken ertappt, hier bleiben zu wollen, weil ich unter uns ein Leben entdeckt habe, das ich vorher nicht kannte."
Eine Gruppe junger Frauen war für einen Tag zu uns ins Sommercamp gestoßen. Das Tagesmotto, dem wir folgten, war: „Gott ist am Werk, entdeck es!“ Im Gesicht einer der jungen Frauen sah ich eine tiefe Traurigkeit – auch während der vormittäglichen Workshoparbeit. Mittags nahm ich mir vor, mich an ihren Tisch zu setzen. Als ich in den Speisesaal kam, war neben ihr ein Platz frei. Ich setzte mich mit meinem Teller zu ihr, fragte sie nach ihrem Namen und erzählte ein wenig von mir und den ganzen Aktivitäten des Camps und von den vielen ukrainischen Freunden, die sich so engagiert in die Workshops einbrachten. Als sich die Gruppe am Spätnachmittag wieder verabschiedete, versuchte ich jedem noch einmal ganz persönlich nahe zu sein und einen Brückenschlag von Herz zu Herz zu ermöglichen. Dann fuhren sie. Einen Tag später durfte ich in einer WhatsApp-Nachricht mit Blick auf diese junge Frau lesen: „Als wir abends nochmals den Tag anschauten, war sie wie verwandelt. Sie erzählte total offen und mit großem Interesse von ihrem Tag. Und am nächsten Tag ergab sich ein Gespräch von großer Tiefe. Alles Leid und allen Schmerz konnte sie auf einmal anvertrauen!“
Ein Mann mittleren Alters stand an einem Geländer in der Sonne. Er schien zu warten. Ich sprach ihn an. Er sprach kein Deutsch. So kamen wir über Englisch miteinander ins Gespräch. Er kam aus der Ost-Ukraine. Schnell vertraute er mir. Seine Frau und ihre kleine Tochter stießen zu uns. In der Ukraine hatten beide studiert, geheiratet und sich dann ein kleines Eigenheim mit einem wunderschönen Garten aufgebaut. „Wir sind in der Ukraine am Punkt Null gestartet und hatten es so schön. Jetzt ist alles zerstört! Meine Frau wird da noch nicht mit fertig!“ Ich lud sie in unsere Kirche ein, wo Flüchtlinge auf eine große Holztafel die Karte der Ukraine gemalt haben. Auf kleinen Zetteln können sie dort die Namen ihrer Lieben hinterlassen. Abend für Abend bete ich für all diese Menschen. Die Frau nahm sich sofort einen Zettel. Mit Tränen in den Augen schrieb sie all die Namen ihrer Lieben auf und legte ihn in die Box – ein sehr emotionaler Augenblick. Ich lud die kleine bei uns gestrandete Familie ein, am Hochaltar das Bild der Emmausjünger anzuschauen. Sie kannten die Geschichte nicht. „Spürt ihr das tiefe Vertrauen und die Liebe unter uns in diesen Augenblicken?“ fragte ich behutsam. Die Frau nickte. „Und ich spüre einen tiefen Frieden“, sagte der Mann. Ich schaute die drei an und sagte zu ihnen: „Wo die Liebe ist, da ist Gott gegenwärtig. Er ist uns jetzt ganz nah!“ Unsere Augen füllten sich mit Tränen.
Ein 13 jähriges Mädchen wurde mir spät abends wegen akuter Bauchschmerzen vorgestellt. Ich traf auf ein ungemein reifes, aber sehr schmerzgeplagtes Mädchen. Mir war sofort klar, dass ich sehr behutsam vorgehen musste, um keine Ängste auszulösen. Schnell war mir klar. Ich musste das Mädchen noch in der Nacht operieren.. Es gelang mir eine so gute Beziehung zu dem Mädchen aufzubauen, dass sie - gemeinsam mit ihrer Mutter - in die notwendige OP einwilligte, ohne panisch zu werden. Der durchaus nicht leichte Eingriff gelang gut. Am anderen Tag schon konnte sie nahezu beschwerdefrei entlassen werden. Nach einer Woche kam sie erneut mit ihrer Mutter zu mir, um sich zu bedanken! Sie schenkte mir einen Schlüsselanhänger in der Form einer Hand, die ein Kind in sich behütet. Das junge Mädchen sagte, es sei ihr so wichtig, mir dieses Symbol zu schenken, da sie sich bei mir genauso sicher und geborgen gefühlt habe. Mutter, Tochter und ich lagen uns mit Tränen der Rührung in den Armen!