Ich bin glücklich!
Immer wieder hatte ich versucht, einen Jugendlichen zu kontaktieren, der sich auf die Firmung vorbereitete. Er war kaum zu Veranstaltungen erschienen, auf meine Kontaktversuche reagierte er nicht. Nach vielfältigsten Versuchen und Brückenschlägen spürte ich Ärger in meiner Seele. Ich schrieb ihm, ihm auf dem Weg zur Firmung keine Steine in den Weg legen zu wollen, aber sein Nicht-Reagieren sei nur schwer zu nehmen. Die Mutter meldete sich, ob wir ein Gespräch zu dritt haben könnten. Natürlich gern. Schon nach einer Stunde war ich bei den beiden. Schnell waren wir in einem ehrlichen Austausch. Ich erfuhr, dass der Vater des Jungen die Familie im Stich gelassen und jeglichen Kontakt zu seinem Sohn abgebrochen hatte. Nach und nach kam viel Schmerz und Enttäuschendes – auch im Hinblick auf die Kirche – ins Wort. Ich konnte alles gut nachvollziehen. Plötzlich war ein Klima unter uns, so dass auch die Mutter Schmerz aus ihrer Seele teilen konnte. Kostbare Augenblicke. Als ich den Jugendlichen am Ende fragte, ob er im Firmgottesdienst einen Text vorlesen könne, schaute er mich an wie einen Omnibus. „Ich?“ fragte er mehrmals. „Kommt gar nicht in Frage!“ Ich ermutigte ihn durch eigene Erfahrung und bat ihn, zumindest abends nochmals darüber nachzudenken. Gegen Mitternacht kam eine WhatsApp: „Ich mach’s!“
Ich war mit einigen Jugendlichen auf einem Flohmarkt unterwegs, der für Sozial-Projekte veranstaltet wurde. Wir standen vor einer großen Kirche. Mir fiel eine jüngere Frau asiatischen Ursprungs auf, die sehr traurig in die Welt schaute. Ich gab ihr ein kleines Geschenk und sprach sie an. Sie wirkte unsicher. Sie sprach Englisch. Auf meine Frage, woher sie komme, erfuhr ich, dass sie aus Malaysia sei und mit ihrer Mutter für eine Woche nach Europa gekommen sei. Vertrauen wuchs. Sie erzählte, dass sie ihre Schule beendet habe und nun unsicher sei, ob sie auf eine medizinische Hochschule gehen solle. Ich hörte ihr aufmerksam zu und fragte sie dann, wieviel Sicherheit sie für eine Entscheidung brauche. 80 %! Dann ließ ich sie durch kleine Beispiele verstehen, dass die 20 % Unsicherheit bei ihren Entscheidungen bleiben und mitgehen würden und dass sie – in unsicheren Phasen – diesen 20 % nicht zu viel Raum geben dürfe. In der Zwischenzeit war ihre Mutter dazugestoßen und hörte dankbar und aufmerksam zu. Ich sah Tränen in den Augen der jungen Frau, Tränen der Dankbarkeit und Freude. Am Ende sagte die Mutter: „Vielleicht war es nur wegen dieses hoffnungsvollen Gespräches für meine Tochter, dass wir nach Europa kommen sollten. Morgen fliegen wir wieder!“ Dann verabschiedeten wir uns.
Sechs Flüchtlingsgeschichten hatten wir an einem Abend im Rahmen der interkulturellen Woche einem breiten Publikum vorgestellt. Bewegend hatten Filmon aus dem Irak, Berislav aus Bosnien und Herzegowina, Aata aus dem Irak, Elham und Hakim aus Afghanistan, Artemida aus Albanien und Stas und Sasha aus der Ukraine erzählt. Sie alle hatten sehr persönlich erzählt, wie sie das kostbare Gut ihres Lebens zu schützen gesucht und jetzt bei uns in Deutschland angekommen waren. Nach der Begegnung kam eine Frau mit Tränen in den Augen und sagte: „Ich habe noch nie so sehr gespürt, dass wir alle zu einer Menschheitsfamilie gehören und alle in einem Boot sitzen. Die Aussage der jungen Christin aus dem Irak: Für mich ist nicht wichtig, welcher Religion eine Person angehört, sondern ob sie ein gutes Herz hat, ist mir tief ins Herz gefallen. Ich gehe sehr bereichert wieder nach Hause!“
Liebe Freunde von go4peace,
auf einmal warst du da, geboren ins Leben – nackt und hilflos. Und neben dir waren Menschen, die für dich da waren. Sie haben sich um dich gesorgt, Hebammen, Ärzte, deine Mutter, dein Vater, deine Familie … Ohne dass du es wusstest, haben sie sich für dich verschenkt. So konntest du ins Leben finden, Schritt für Schritt. Irgendwann hast du begonnen zu sprechen, hast den Dingen um dich herum einen Namen gegeben, hast „Mama“ und „Papa“ gesagt. Und dann kam der Augenblick, in dem du lerntest „ich“ zu sagen. Du hast entdeckt, dass du jemand bist, der etwas kann und der sogar dem „DU“ etwas schenken kann. Du maltest Bilder, verschenktest sie, warst glücklich über das Lächeln der Beschenkten. Du schenktest und wurdest beschenkt, du gabst und dir wurde gegeben! (vgl. Lk 6,38) Du entdecktest, wie schön es ist, in Beziehung zu leben, denn dafür sind wir Menschen gemacht. Aus dem „ich“, was sich ans „du“ verschenkt, wird ein lebendiges „wir“.
Mit einem Ehepaar hatte ich mich auf einen Cappuccino getroffen. Eine Jugendliche bediente uns im Café. Sie schien neu im Geschäft und wirkte noch ein wenig scheu. Sie spürte das lebendige Miteinander an unserem Tisch und kam immer wieder, um zu fragen, ob wir noch einen Wunsch hätten. Jedes Mal mühte ich mich, sie ein wenig aufzumuntern und zum Lachen zu bringen. Da wir nach dem Cappuccino Rhabarber-Saft tranken und ich den Saft sehr genoss, scherzte ich, einen „Rhabarber-Verein“ gründen zu wollen. Ob sie auch Interesse habe, beizutreten, fragten wir sie. Sie strahlte. Am Ende schenkte ich ihr unseren Kalender „Worte - wie Sterne in dunkler Zeit“. Beglückt nahm sie ihn entgegen. Als wir das Café verließen, rief sie uns zu: „Danke für Eure Freundlichkeit und schauen Sie mal!“ Dabei wies sie mit dem Finger auf eine Wand neben der Ausgangstür. Dort hing nun der Kalender – wie ein Stern in dunkler Zeit. – Hör nicht auf zu geben! - Don’t stop giving!
für das go4peaceTeam Meinolf Wacker