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Ich bin glücklich!

Nach einer Beerdigung traf ich eine Frau, die ich lange nicht gesehen hatte. Sie fragte nach, ob eine Erfahrung, die sie in einer christlichen Zeitschrift gelesen habe, von mir stamme? Nachdem ich bejahte, bat sie mich, die Erfahrung kurz zu umreißen.  Ich war in den Religionskurs eines Gymnasiums eingeladen worden und hatte über das Thema Kirche sprechen sollen. Wir trugen zusammen, was uns zum Thema Kirche einfiel. Ich ermunterte die Jugendlichen, auch die negativen Aspekte nicht unter den Teppich zu kehren. Dann entdeckten wir gemeinsam, dass all diese Aspekte nicht der Kern der Kirche waren. Plötzlich fragte ein Mädchen: „Wir haben schon so viele langweilige Diskussionen geführt und heute ist das ganz anders. Woran liegt das?“ Ich bat ihr meine Deutung an: „Spürst du, wie engagiert wir zusammen sind und wie wir bemüht sind, ehrlich und nicht verletzend im Gespräch zu sein? Irgendwie ist das doch eine Form der Liebe. Und Liebe ist der Name Gottes. Und er hat uns versprochen, bei uns zu sein, wenn wir in seinem Namen, also in Liebe, vereint sind. Also: Er ist da – unter uns – ganz lebendig und das erfüllt auch dein Herz so sehr!“ – „Ja“, sagte meine Zuhörerin, „das stand in der Erfahrung, Kirche will immer mehr Ereignis des lebendigen Gottes werden, das hat mich seither begleitet!“

Am Ende eines Gottesdienstes kam eine afrikanische Mutter mit ihren drei Kindern. Die Älteste war gerade 6 Jahre alt geworden und hatte den Wunsch, dass ich sie noch segnete. So kniete ich mich vor das Kind, um mit ihm zu sprechen und die Kleine zu segnen. Zur gleichen Zeit kam ein mir unbekannter älterer Mann, der ein wenig verwahrlost ausschaute.  Er sah, wie ich das Kind segnete und sagte dann laut: „Jetzt bin ich aber ganz gerührt und fange gleich an zu weinen!“ Dann ging die afrikanische Familie. Ich hätte sofort zu einem Anschluss Termin auf die Autobahn gemusst. Doch ich entschied, dem älteren Mann noch zuzuhören. Er erzählte mir von seiner Geschichte und war ganz verwundert, dass er in einer katholischen Kirche gelandet war. Als ich ihn nach einer Viertelstunde verstehen ließ, dass ich mich nun verabschieden musste, schaute er mich lange an und sagte: „Sie haben mir ein großes Geschenk gemacht, mir so lange zugehört zu haben. Ich fühle mich sehr geehrt. Danke!“

Einem inneren Impuls folgend, rief ich eine ältere Ordensfrau an. In dem Haus, in dem sie lebte, kümmerten sich sehr engagierte indische Schwestern um die alt gewordenen deutschen Schwestern. Sofort begann meine Gesprächspartnerin von einer der indischen Schwestern zu erzählen, die ihr die große Not einer befreundeten Familie anvertraut hatte. Die christliche Familie war wegen der Arbeit des Mannes in ein stark muslimisch geprägtes Land gezogen. Der Familienvater war der einzige Christ in seinem Unternehmen. Er war aufgrund seines Könnens sehr beliebt und geschätzt. Dennoch wurde ihm nach geraumer Zeit gekündigt, um die Stelle einem muslimischen Mitarbeiter anzubieten. Die Familie stand plötzlich mittellos auf der Straße. Von einem deutschen Familienvater, der mit seiner Familie ebenfalls in große Not geraten war und den ich begleiten durfte, hatte ich ein wenig Geld für Notleidende bekommen. Jetzt wusste ich, für wen ich dieses Geld bekommen hatte. Beim nächsten Anruf weinte die indische Schwester vor Freude am Telefon.

 „Traurige Nachricht“ – lese ich in einer Mail. Unvermutet ist eine junge Frau aus dem Leben geschieden. Die folgenden Tage sind von Fassungslosigkeit, Unbegreifbarkeit, Tränen und viel geteiltem Leben geprägt. Ob ich die Beerdigung halten könne, lese ich als Frage. Ich sage zu. In aller Unwirklichkeit, die die Situation auch eine Woche nach dem Tod noch prägt, gelingt und geschieht eine hoffnungsgestimmte und tragende Auferstehungs-Feier. Beim anschließenden Kaffee setze ich mich zu jungen Studentinnen aus der WG der Verstorbenen. Sie beginnen zu erzählen. „Niemand konnte so gut zuhören, wie unsere Freundin. Wenn ich ihr etwas erzählt habe, dann war sie immer ganz da. Sie schaute nie auf die Uhr, so dass Zeitdruck aufkam. Ich hatte den Eindruck, sie ist dann ganz für mich da. Und so konnte ich ihr viel Persönliches anvertrauen!“ Wie auf dem Tabor, dachte ich. Jesus war im Gebet ganz präsent. Er war ganz da. Und in dieser im Augenblick verwurzelten Präsenz, ist Gott – in der Wolke – auf einmal da - mit allem was war und ist und sein wird. Ein Licht erstrahlt, in dem alles in Liebe verbunden ist. Und neben dem verborgenen Gott, so mein Eindruck, sind auch die da, die schon über die Schwelle des Todes gegangen sind und mit uns verbunden bleiben.